Xeevo: Neuer elektrischer Standardschlepper mit 90 PS

Der neue Xeevo ist kaum teurer als vergleichbare Dieselschlepper ist und könnte für Baubetriebshöfe sehr spannend sein. Lesen Sie mehr im Interview.
Christian Mayer (Vorstand ILaFa Radolfzell), Yongjun Chen (Geschäftsführer XEEVO) und Arnold Kemkemer vor einem Xeevo Traktor
Freuen sich auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit (v.l.): Christian Mayer (Vorstand ILaFa Radolfzell), Yongjun Chen (Geschäftsführer XEEVO) und Arnold Kemkemer (Inhaber Siqron) (Foto: Hersteller))

Während der demopark stellt der chinesische Hersteller XEEVO zusammen mit seinem Vertriebs- und Servicepartner ILaFa Radolfzell erstmals einen elektrischen Standardschlepper mit 90 PS Nennleistung vor, der kaum teurer als vergleichbare Dieselschlepper ist und für Baubetriebshöfe sehr spannend sein kann. Die KommunalTechnik Redaktion hat im Vorfeld mit den Verantworltichen gesprochen.  

 
KommualTechnik: Der neue vollelektrische Traktor der Marke XEEVO wurde Ende 2024 erstmals in China vorgestellt und ist demnächst – quasi als Europapre-miere – auf den Öko-Feldtagen der DLG sowie der demopark in Eisenach zu sehen. Warum gerade in Deutschland?

Yongjun Chen (Inhaber der XEEVO-Muttergesellschaft ZSHX Advanced Tractors): Nach meinem Studium in Maschinenbau und Automatisierung in China habe ich vor gut 20 Jahren auch in Hannover studiert und anschließend bei mehreren deutschen Herstellern gearbeitet, u.a. für Fendt. Deutschland, speziell das Allgäu, ist sozusagen meine zweite Heimat und der Bezug dorthin sehr ausgeprägt. Hier habe ich vieles für meine spätere berufliche Entwicklung gelernt und auch herausragende deutsche Tugenden, wie Präzision und Qualitätsorientierung, verinnerlicht. Dies konnte ich in meinem weiteren Werdegang in leitenden Positionen verschiedener chinesischer Konzerne im Off-Highway-Segment umsetzen – bis hin zu meinem eigenen Unternehmen ZSHX. Gestärkt hat meine Zeit in Deutschland übrigens auch meine Passion für Traktoren – und speziell für mein Her-zensprojekt des vollelektrischen Traktors. 
Was den deutschen Traktorenmarkt angeht, sehen wir für unser Produkt ein großes Potenzial. Sicher zählen die skandinavischen Länder schon jetzt zu den Boom-Märkten – aber das zweifelsfrei größere Stückzahl- und Marktpotenzial findet sich in Deutschland bzw. dem deutschsprachigen Raum. Das gilt nicht nur für die Landwirtschaft, sondern in besonderem Maße für das Kommunalsegment und hier speziell der Baubetriebshöfe. 

Warum?

Chen: Die Kommunen zählen für mich, wie auch der sogenannte öffentliche Sektor, zu den Vorreitern der Energiewende und der Reduktion des CO2-Ausstoßes. Außerdem gibt die Politik auf EU- und Bundesebene klar vor, welche Zeile diesbezüglich zu erreichen sind. Die Herausforderung dabei ist allerdings ein bisher eher begrenztes Angebot geeigneter Elektrofahrzeuge, gerade bei Traktoren. 

Arnold Kemkemer (Geschäftsführer Siqron agrar, Koordinator der XEEVO-Markteinführung): Vergessen werden dürfen auch nicht die Investitionskosten in Fahrzeuge mit alternativen Antriebskonzepten. Im hochwertigen Produktsegment liegt der Anschaffungspreis eines Standard-E-Schleppers im Bereich 90 bis 100 PS bei einem Preisfaktor zwischen 1,6 und 1,8 im Vergleich zu einem adäquaten Modell mit Verbrennungsmotor. Das ist schon eine Hausnummer für viele Baubetriebshöfe.

Im Vergleich damit liegt unser jetzt vorgestelltes Modell nur geringfügig über den Dieselvarianten, etwa im Verhältnis 1,1:1, punktet also mit absolut wettbewerbstauglichen Investitionskosten.

Rechnet man dann noch den generell bei Elektrofahrzeugen erheblich geringeren Betriebsmittelaufwand hinzu, sind Elektrotraktoren wirtschaftlich absolut im Vorteil. 

Christian Mayer (geschäftsführender Vorstand ILaFa Radolfzell, Vertriebs- und Servicepartner D/A/CH für XEEVO): Hinzu kommen zwei weitere Aspekte: erstens mögliche Förderprogramme der Bundesländer oder irgendwann auch wieder verstärkt seitens des Bundes, die in eine Gesamtkalkulation mit einzubeziehen sind. Außerdem sind auch die Kommunen zunehmend Strom-Selbsterzeuger, z.B. mittels Photovoltaik, sodass günstige, ökologisch erzeugte Energie selbst genutzt werden kann. 
Neben dem wirtschaftlichen Aspekt spielt aber auch Vertrauen in die Marke und die gewünschte Einsatzsicherheit der Technik – also die Servicebetreuung – eine wichtige Rolle. Wie wollen Sie diesbezüglich punkten?

Kemkemer: Wir sind uns bewusst, dass der Hersteller unbekannt ist und Kunden wie Händler zu Recht Fragen nach Einsatzsicherheit und Produktqualität stellen. Deshalb haben wir eine Lösung entwickelt, die über bisher am Markt zu findende Angebote hinausgeht. Der E-Trac von Xeevo wird mit fünfjähriger Herstellergarantie plus Maschinenbruchversicherung geliefert. Dies gibt den Kunden ein hohes Maß der Einsatzsicherheit. Außerdem können Fachhändler, die den Service übernehmen, auch für die Garantiearbeiten ihre individuellen Stundenverrechnungssätze kalkulieren. Die Kunden bekommen sehr hohe Sicherheit und die Servicepartner ein faires Entgelt – mit diesem Paket sehen wir gute Verkaufsvoraussetzungen für den E-Trac. 

Chen: In diesem Zusammenhang der Sicherheit möchte ich ergänzen, dass wir bei der Auswahl der Komponenten für unsere E-Schlepper auf die höchsten Standards setzen und dazu weltweit Top-Lieferanten ausgewählt haben, die unsere Ansprüche erfüllen – sei es aus Deutschland oder aus China. Mit der Marke CATL für die Batterien haben wir zum Beispiel den nach meiner Einschätzung weltweit besten Hersteller – er ist 'state of the art'.


Außerdem darf nicht vergessen werden, dass die Serviceintensität von Elektroantrieben dramatisch niedriger ist als bei Verbrennern und die Funktionssicherheit erheblich größer. 

Kabine des Xeevo Traktors
Die Kabine ist geräumig und bietet sehr große Übersichtlichkeit in alle Richtungen. (Foto: Hersteller)

Das Thema Fachhandel wurde bereits ausgesprochen – wie soll das Händlernetz aussehen? Schließlich hat die ILaFa Radolfzell einen eher süddeutschen Schwerpunkt …

Mayer: Es stimmt, dass ein großer Teil unserer Mitglieder im Süden und in der Mitte Deutschlands angesiedelt ist – aber nicht nur. Außerdem haben wir bereits für verschiedene Marken, wie z.B. als exklusiver Vertriebs- und Servicepartner für Solis-Kompakttraktoren, gezeigt, dass wir die Kundenbetreuung sehr erfolgreich bundesweit sicherstellen können. Das wird auch für XEEVO so sein. Ziel ist es, in Kundennähe einen Fachhändler zu finden, der die Betreuung übernimmt. Wo das nicht sofort gelingt, stehen wir mit unserem eigenen Team bereit. In diesem Zusammenhang haben wir in den letzten Monaten weitere Mitarbeiter im Service- und Verkaufsaußendienst für Mittel- und Norddeutschland eingestellt. Kein Kunde wird mit der Technik allein gelassen, egal wo.

Schließlich stellt Service für Elektrofahrzeuge andere Anforderungen an das Werkstattpersonal als Verbrennermaschinen …

Mayer: Das stimmt. Die passende Ausrüstung der Werkstatt sowie die Qualifikation des Fachpersonals für die Arbeit an Hochvolttechnik müssen gegeben sein. Dies ist in immer mehr Werkstätten der Fall, aber eben noch nicht überall. Ein Grund mehr, dass wir als ILaFa mit unserem Serviceversprechen für die Kunden eintreten.

Werfen wir einen Blick auf die eigentliche Maschine: Die Nennleistung wird mit 90 PS beziffert …

Chen: Ja, der Traktor verfügt über 90 PS Nennleistung, hat jedoch eine 105-kWh- Batterie, die zwei Antriebsmotoren mit Energie versorgt: einen für den eigentlichen Antrieb und einen für Zapfwellen sowie Hydraulik. Die sogenannte Peakleistung des Traktors ist deutlich höher, allerdings haben wir sie aus Sicherheitsgründen auf 120 PS begrenzt. Und wo wir gerade bei technischen Features sind: Die Maschine ist serienmäßig mit Allradantrieb, eine sehr geräumige, ergonomisch gestaltete Kabine mit hervorragender Rundumsicht, Klimaautomatik und ISOBUS. Maschineneinstellungen werden über eine übersichtliche Menüstruktur des Touchscreens vorgenommen. Damit kann jeder Fahrer intuitiv sehr gut arbeiten. Außerdem verfügt der E-Trac bereits in der Basisversion über elektrisch angesteuerte, hydraulische Steuergeräte.

Dadurch können im Baubetriebshof vorhandene Anbaugeräte ohne Einschränkungen weiter genutzt werden?

Kemkemer: So ist es! In der Serienausstattung werden derzeit zwei Steuergeräte mitgeliefert, diese sind sukzessive auf bis zu fünf erweiterbar. Spannend ist jedoch perspektivisch, wenn elektrisch angetriebene Anbaugeräte zum Einsatz kommen. Hier sind wir in Gesprächen auch mit deutschen Herstellern, wie etwa bema im Bereich Kehrmaschinen.

Mayer: Die Heckhydraulik des XEEVO entspricht vollständig der hiesiger Standardtraktoren. Frontkraftheber und -hydraulikanschlüsse sind in Vorbereitung, diese werden in Europa gefertigt und bei uns in Deutschland montiert.

Zum Stichwort Wirkungsgrad und Gesamtleistung möchte ich darauf hinweisen, dass die Energie der Batterie beim Elektroantrieb zu über 90 % nutzbar ist, während der Wirkungsgrad eines Verbrenners bei etwa 35 % der eingesetzten Energie liegt. Das sollte bei einem Vergleich bedacht werden.

Wird es künftig auch Schmalspurversionen des E-Trac geben?

Chen: Die Achsen sind so konzipiert, dass Spurweiten zwischen 1,40 m und 1,90 m eingestellt werden können. Aber uns ist bewusst, dass gerade im Kommunaleinsatz in vielen Einsatzbereichen auch schmalere Maschinen erforderlich sind. Deshalb: Ja, wir werden auch Kompaktschlepper bauen. Die Analysen und die Konzeptionsphase laufen schon.

Kühler des Xeevo Traktors
Zu den herausragenden Features der Maschine gehört laut Hersteller ein intelligentes Temperatur- und Energiemanagement, die u.a. dazu führt, dass die Batterie entsprechend der Umgebungstemperatur bestmöglich gekühlt oder geheizt wird. (Foto: Hersteller)

Wie sieht es mit der Arbeitszeit pro Batterieladung aus?

Chen: Bei Arbeiten mit hohem Zugkraftbedarf, wie z.B. Bodenbearbeitung in der Landwirtschaft, beträgt sie zwischen 4-5 h, bei durchschnittlicher Belastung sind 6-7 h möglich.

Für Kommunen ist vor allem die Tauglichkeit für den Winterdiensteinsatz ein wichtiges Kriterium – wie sehen die Einsatzleistungen da aus?

Chen: Wir haben auch die Einsatztauglichkeit bei niedrigen Temperaturen getestet und dabei Einsatzzeiten zwischen 4 h und 5 h erreicht.

Heizung und Beleuchtung im Winter sind also kein Problem?

Kemkemer: Zweifelsfrei sind die Einsatzzeiten im Winter geringer als im Sommer. Aber zu den herausragenden Features der Maschine gehört ein intelligentes Temperatur- und Energiemanagement, das u.a. dazu führt, dass die Batterie entsprechend der Umgebungstemperatur bestmöglich gekühlt oder geheizt wird. Und die von Ihnen angesprochene Beleuchtung besteht aus LED-Lampen, sodass sich der Energiebedarf in sehr engen Grenzen hält, an kalten und dunklen Tagen also zu keinem ernsthaften Problem wird.

Mayer: Speziell mit Blick auf den Einsatz im Baubetriebshof ist nach meiner Einschätzung genügend Energie für den Einsatz von Frühstück bis Mittag vorhanden. Dann kann wieder aufgeladen und nachmittags weitergearbeitet werden.

Was die Frage nach den Ladezeiten nahelegt …

Chen: Von 0 auf 100% dauert das Laden etwa 1 h. Der Ladevorgang zwischen 20 und 80 %, wie er von anderen Anbietern gern genannt wird, ist bei unserer Technik in 36 min erledigt.

Mayer: Dabei reden wir allerdings von einem 100-kW-Ladegerät, sonst ginge es nicht so schnell. Der begrenzende Faktor ist also die verfügbare Netzleistung und die Ladeinfrastruktur.

Kemkemer: Ich sehe bei den Baubetriebshöfen eine sehr gute Möglichkeit und sehr hohe Bereitschaft, in die passende Ladeinfrastruktur zu investieren, denn die öffentliche Hand ist ein Treiber der Elektrifizierung ihrer Fuhrparks. Um potenziellen Kunden des Traktors auch in dieser Hinsicht zu helfen, sind wir im Gespräch mit zwei Anbietern, die Ladetechnik im Hochvoltbereich auf Mietbasis realisieren, so können wir Interessenten auch hierfür eine Option als Teil einer ganzheitlichen Lösung vermitteln.

Abschließende Frage: Wofür steht eigentlich der Name XEEVO – der Firmenname ist es ja nicht …

Chen: Das X steht im chinesischen Sprachgebrauch für Vielfalt und unbegrenzte Möglichkeiten. Das E steht natürlich für Elektrik und das EVO für die Evolution im Traktorenbau. Genau das sehen wir in unserem Produkt – und hoffen darauf, dies auch den Kunden in Deutschland, Österreich und der Schweiz vermitteln zu können.

Jens Noordhof, Redaktion KommunalTechnik