Winterdienst: Kapazität am Limit

Ob Gemeinde, Stadt, Kreis oder Bundesland – der Winterdienst fordert die Ressourcen auf allen Ebenen. Was sind praxistaugliche Lösungen und welche Trends zeichnen sich ab? Wir haben kommunale und private Betriebsleiter und Technik-Experten der BayWa zu einer Diskussionsrunde eingeladen.
Die Erfahrungen einiger bayerischer Straßenmeistereien zeigen, dass es zunehmend schwieriger wird, für den Winterdienst über Ausschreibungen Dienstleister mit Lkw und Streutechnik zu gewinnen.

Wie ist der Trend im Winterdienst aus Ihrer Sicht? Wird zunehmend ausgelagert, oder wird die Arbeit verstärkt selbst ausgeführt?
Sandro Schmidt (Bauhofleiter Eisfeld): Wenn wir genügend Leute hätten, würde ich am liebsten alles mit dem eigenen Team machen. Dazu bräuchte es aber eine Person und ein bis zwei Fahrzeuge mehr. Stattdessen arbeiten wir im Winterdienst bisher mit einem Lohnunternehmer zusammen, der dazu einen Traktor einsetzt. Das funktioniert gut und mit großer Zuverlässigkeit. Zumal er auch eine Schneefräse hat, die der Bauhof sonst zusätzlich kaufen müsste. Und die Stadt kann in seiner Maschinenhalle ein Fahrzeug unterstellen. Bei der Beurteilung darf man daher nicht nur auf die reinen Arbeitskosten schauen, sondern muss alles abwägen. Deshalb bin ich mit der aktuellen Konstellation sehr zufrieden.
Mark Küpper (BayWa): Wie sieht es in Erlangen aus – setzen Sie auch auf externe Dienstleister? Und wenn ja, basiert Ihre Entscheidung überwiegend auf Ressourcen-, Kosten- oder Haftungsfragen?
Wilfried Graupe (Erlangen): Wir erledigen derzeit alle Arbeiten mit eigenen Mitarbeitern/innen. Aber Dienstleister könnten auf mittlere Sicht durchaus ein Thema werden. Denn die Stadt wächst noch, und es ist schwer, geeignete Bewerber/innen auf offene Stellen zu bekommen. Klar ist aber auch: Die Kontrollfunktion und die Alarmierung blieben ja trotzdem bei der Kommune. Wir müssen sehen, ob es leistungsfähige Dienstleister gibt, die es zu den kommunalen Sicherungszeiten schaffen können und die Kapazitäten haben. Wie handhaben Sie zum Beispiel das Thema Lenk- und Ruhezeiten, Herr Stiefler?
Marco Stiefler (GaLaBauer): Bisher arbeiten wir im Winterdienst ausschließlich für Privat- und Industriekunden, nicht für kommunale Auftraggeber. Und wir sind nicht mit Lkw unterwegs, sondern arbeiten überwiegend mit Traktoren. Dadurch sind wir etwas flexibler bezüglich der Lenk- und Arbeitszeiten.
Graupe: Was die Zeiten betrifft, haben wir klare Rahmenbedingungen von maximal 10 h pro Schicht, mit mindestens 11 h Pause zwischen zwei Schichten. Problematisch ist dies aber weniger im Fahrzeugeinsatz als vielmehr bei den Handkehrern, die wir auf Geh- und Radwegen einsetzen.

Die Diskussionsteilnehmer trafen sich im neuen Standort der BayWa in Bamberg.

Verfügen Sie über genügend Personalkapazitäten?
Michael Barnickel (Bauhofleiter Kulmbach): Hier ist der Handstreudienst der begrenzende Faktor. Unter normalen Bedingungen geht alles gut. Aber wenn es mal drei Tage am Stück schneit, wird es eng. Denn derzeit setzen wir auf den Straßen, Geh- und Radwegen keine externen Firmen ein, sondern machen alles selbst. Dienstleister kommen für die Stadt vor allem vor Turnhallen, Kindergärten und Schulen zum Einsatz.
Armin Zwingmann (BayWa): Was den Einsatz von Dienstleistern im kommunalen Winterdienst betrifft, beobachte ich seit Längerem eine gewisse Wellenbewegung. Vor 12-15 Jahren begannen Verwaltungen aufgrund finanzieller Engpässe zunehmend Arbeiten auszulagern. Seit gut fünf Jahren gibt es wieder einen klaren Trend zur Eigenmechanisierung. Derzeit sind die Städte und Gemeinden steuerlich gut aufgestellt und bauen den Investitionsstau ab.
Küpper: In unserem Vertriebsgebiet ist dieser Trend in Bayern und Württemberg nach dem fünften Jahr in Folge mit positiven Haushaltsüberschüssen unverkennbar, Sachsen und Thüringen haben da eine deutlich unkomfortablere Ausgangslage. Wenn vor dem Hintergrund steigender Personal- und Sozialkosten das Steueraufkommen wieder weniger üppig würde, könnte sich der Trend aber auch mal wieder allgemein zu mehr Verlagerung an Dienstleister umkehren.
Harald Stadelmann (Straßenmeisterei Würzburg): Wir haben in unserem Bereich eher das Problem, dass wir gern mehr auf Dienstleister zurückgreifen würden, aber keine finden. Im August liefen Ausschreibungen aus, leider ohne Erfolg. Das geht übrigens nicht nur uns in Würzburg so, sondern vielen Kollegen der Straßenmeistereien in Bayern.

Im thüringischen Eisfeld sind nicht nur eigene Fahrzeuge im Winterdienst unterwegs, sondern auch ein Lohnunternehmer mit Traktor.

Wie weit ist Technik in der Lage, im Kommunaleinsatz Personalengpässe aufzufangen?
Stadelmann: In der Straßenmeisterei sehe ich aktuell kein Potenzial für weitere Personaleinsparungen. Zum einen haben wir bereits vor vielen Jahren auf 1-Mann-Besatzung der Winterdienst-Fahrzeuge umgestellt. Was unsere technische Ausrüstung betrifft, sind wir auf dem neuesten Stand. Wir betreuen keine Flächen, sondern Strecken. Diese müssen nun einmal durchfahren werden. Inzwischen dürfen wir mit 60 km/h streuen, das ist die Obergrenze, mehr geht nicht.
Marco Stiefler: Ich finde die Lösungen sehr interessant, im Einsatz mit Schmalspurtraktoren Vario-Schilde einsetzen zu können, die sich zum Beispiel von 1 m auf 1,5 m verbreitern lassen. Das ist bezüglich der Druck- und Zugkräfte eine Herausforderung, würde aber mehr Flexibilität und Zeitersparnis bringen.
Barnickel: Mit den vorhandenen Variopflügen kann man das aber zum Teil auch heute schon…
Küpper: Dabei denke ich zum Beispiel an breitenverstellbare Federklappenschilder, die ja genau dafür entwickelt wurden, mit einem Gerät mehrere Einsatzbereiche abzudecken, für Gehsteige oder Bushaltestellen. Aber meines Wissens gibt es noch nicht viele Lösungen in diesem Segment.

Selbst in den Mittelgebirgen sind schneereiche Winter nicht mehr der Regelfall, müssen aber nach wie vor in der Kapazitätsplanung einkalkuliert werden.

Ist das eine Frage der Kosten oder der verfügbaren Trägerfahrzeuge?
Zwingmann: Gewisse hydraulische Grundvoraussetzungen sind schon erforderlich, auch das Gewicht des Trägerfahrzeugs spielt eine Rolle. Aber Möglichkeiten gibt es.
Marco Stiefler: Wir haben es bei den Kompakten erst mal mit Ansteckplatten gelöst.
Norbert Stiefler (GaLaBauer): Und wir haben uns jetzt einen Flächenschieber mit 2 m Grundbreite gekauft, der sich auf 4,20 m verbreitern lässt. Damit können wir die größeren Plätze unserer Kunden in einem Drittel der Zeit räumen.
Küpper: Welches Trägerfahrzeug setzen Sie dafür ein?
Norbert Stiefler: Dazu nehmen wir einen Standardtraktor mit 100 PS und Kugelmann-Streuer für 1,8 t Salz. Das schafft.

Das Gespräch führten Maren Vaupel und Jens Noordhof, Redaktion KommunalTechnik
Fotos: Archiv

Die komplette Diskussionsrunde finden Sie in der KommunalTechnik-Ausgabe 6/2017.