Winterdienst in Kommunen: Abstumpfende Streustoffe
Ein Problem ist die Staubbelastung, die von den meisten Granulaten und Splitten ausgeht. Ein weiteres Problem die Entsorgung, schließlich bleiben Sand, Granulate oder Splitt auch nach dem Ende des Winters auseinandergefahren auf Straßen und Wegen liegen.
Erneute Verwendung hat sich als wenig praktikabel erwiesen
Die Idealvorstellung ist, das Material nach dem Winter wieder zusammenzufegen und im nächsten Winter erneut zu verwenden. Das hat sich jedoch als wenig praktikabel erwiesen. Stattdessen verteilen sich die Granulate in einem weiten Umkreis, sind teilweise nicht mehr von Kehrmaschinen zu erreichen und bleiben stattdessen liegen oder müssen in schlecht zugänglichen Bereichen aufwendig manuell zusammengekehrt und entsorgt werden. Nicht unerhebliche Mengen des ausgebrachten Streugutes landen in der Schmutzwasserkanalisation, wo sie im schlimmsten Fall zu Verstopfungen führen können. Die Entsorgung ausgebrachten Streumaterials erfolgt in aller Regel als Sondermüll, da das ausgebrachte Streugut vom Verkehr teilweise zermahlen wird und in starkem Maße durch Straßenschadstoffe wie Reifenabrieb, Bremsenabrieb aber auch Kohlenwasserstoffe aus Abgasen verunreinigt wird. Darüber hinaus kommt es zu Verunreinigungen durch Hundekot, Zigarettenkippen und achtlos weggeworfenen Abfall. Grundsätzlich ist es zwar möglich, aufgenommene Streustoffe zu reinigen, der Aufwand dafür ist immens und teilweise umweltbelastend. So muss das Material bei einer Trockenreinigung gesiebt werden. Auch Verfahren zur Nassreinigung wurden bereits getestet. Hier hat sich aber insbesondere der hohe Wasserverbrauch als problematisch herausgestellt.
Die Alternative Blähton erfreut sich wachsender Beliebtheit
Blähton ist ein abstumpfendes Streumaterial, das häufig als besonders umweltfreundlich eingestuft wird. Das Material soll sich nach einigen Wochen von selbst auflösen. So soll eine aufwändige Reinigung nach der Winterdienstsaison vermieden werden. Die Realität sieht jedoch vielfach anders aus.
Vor allem in Städten fallen größere Mengen ausgebrachter abstumpfender Streustoffe an, die beseitigt werden müssen. Ein Beispiel ist die Stadt Nürnberg. Dort müssen gut 2.800 km Straßen bei Eis und Schnee gestreut und etwa 6.100 Fußgängerüberwege sowie rund 300 km Geh- und Radwege gesichert werden. Der Winterdienst ist damit in Nürnberg eine Mammutaufgabe, die alljährlich von knapp 400 Mitarbeitenden und über 200 Einsatzfahrzeugen gestemmt wird. Zuständig für den Winterdienst in der Frankenmetropole ist der Servicebetrieb Öffentlicher Raum. Umweltaspekte haben für den Eigenbetrieb der Stadt Nürnberg schon seit langem einen hohen Stellenwert. So arbeitete die Stadt schon vor 20 Jahren an einer Studie des Öko-Instituts zu ökologischen Aspekten des kommunalen Winterdienstes mit und praktiziert einen „differenzierten Winterdienst“.
Um den Salzverbrauch zu reduzieren, setzt auch die Stadt Nürnberg seit vielen Jahren auf Gehwegen sowie in Fußgängerzonen auf die abstumpfende Wirkung von Blähton zur Glatteisbekämpfung. Da der Blähton ausschließlich auf Rad- und Fußwegen sowie in Fußgängerzonen ausgebracht wird, nutzt der Servicebetrieb Öffentlicher Raum kleine Kommunaltraktoren und Geräteträger zur Ausbringung des Streumittels.
„Beseitigt werden die Blähtonreste im Zuge der regelmäßigen Straßen- und Wegereinigung durch den Servicebetrieb Öffentlicher Raum“, erläutert André Winkel, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit des Eigenbetriebes Öffentlicher Raum. Da die Blähtonreste häufig an Straßenrändern aufgenommen werden und entsprechend verunreinigt sind, wird das Material als Sondermüll entsorgt.
Der Verbrauch von Blähbeton ist wie bei anderen Streustoffen auch, von den jeweiligen Witterungsverhältnissen abhängig. So wurden im Winter 21/22 rund 1.200 t Blähton im Stadtgebiet gestreut. In dem deutlich milderen Winter 22/23 betrug der Verbrauch lediglich 762 t. Auch der jetzt zu Ende gegangene Winter gestaltete sich in Nürnberg „streumittelfreundlich“. André Winkel rechnet mit einem ähnlich niedrigen Verbrauch wie im Winter zuvor.
Keine Verbesserung auf Radwegen
Auch im niedersächsischen Osnabrück wurde in den letzten Jahren aufgrund eines Ratsbeschlusses aus dem Jahre 2018 im Rahmen einer mehrjährigen Testphase Blähton als abstumpfendes Mittel eingesetzt. „Wir haben dabei festgestellt, dass dadurch eine grundsätzliche Verbesserung der winterlichen Radfahrspuren nicht erreicht wird“, so Andreas Thünker, Abteilungsleiter Stadtreinigung & Infrastruktur beim Osnabrücker ServiceBetrieb (OSB). Zudem gelange der eingesetzte Blähton ungewollt in Straßeneinläufe (Gully), was eine Verstopfungsgefahr mit sich bringt, die bei Tauwetter zu Überflutungen führen kann. Auch die Auswirkungen auf die Umwelt seien nicht ganz so positiv zu bewerten. Die Ökobilanz des Blähtons ist aufgrund des energieaufwendigen Herstellungsprozesses schlecht und die Beschaffungskosten liegen um ca. 40 - 50 % pro m³ höher als Splitt. Zukünftig werde daher wieder Splitt als abstumpfendes Streumittel eingesetzt. Damit wird die Testphase zum Einsatz von Blähton auf Radwegen beendet.
Bisher wurde der Winterdienst auf Radwegen (ohne Radfahrspuren auf Fahrbahnniveau) mit einem Streckenumfang von ca. 65 km durch zwei Schmalspurfahrzeuge in zwei getrennten Winterdiensttouren betreut. Das ausgebrachte Material wird im Rahmen der regelmäßigen Reinigungszyklen durch die Geräte der Stadtreinigung mit aufgenommen. Aufgrund eines milden Winterverlaufes in der zurückliegenden und aktuellen Saison und somit einer geringen Ausbringung von Blähton sind die Lagerbestände für den kommenden (angenommenen durchschnittlichen) Winter weiter ausreichend gefüllt. Damit erfolgt die Umstellung von Blähton auf Splitt voraussichtlich bei Auslaufen der Bestände bei einem vermehrten Winterdiensteinsatz im folgenden Winter.
Die hohen Erwartungen, die vielerorts in den kostenintensiveren Blähton gesetzt wurden, scheinen sich nicht erfüllt zu haben. Gleichwohl kann die Alternative nicht „zurück zum Salz“ lauten. Gefragt sind weitere Alternativen, die sich nach dem Ende der jeweiligen Winterdienstsaison mit möglichst geringem Aufwand wieder entfernen lassen.
Stephan Keppler, Redaktion KommunalTechnik