Reportage: Maschinenpark in Bad Gandersheim

„Ist Retro wieder in?“, denke ich mir, als ich den Fuhrpark des Bad Gandersheimer Baubetriebshofs betrachte. Aber ich habe es hier nicht mit Nachbildungen alter Klassiker zu tun, wie sie immer mal wieder in Mode kommen, sondern tatsächlich mit den Originalen. Das jüngste Fahrzeug wurde 1993 zugelassen, das Durchschnittsalter liegt bei etwa 30 Jahren, das der 16 Mitarbeiter mit gemittelten 54 Jahren leicht darüber... Das Ambiente des Gebäude-Ensembles am Rande der Altstadt hat einen ganz eigenen Charme. Und noch vor dem eigentlichen Gespräch kann ich mich bei einer kurzen Mitfahrt mit dem Unimog U 1000 davon überzeugen, dass die Maschinen trotz ihres Alters wirklich laufen und zuverlässig ihren Dienst tun...

Notwendige Einschnitte
Doch wie man sich denken kann, kam die Not vor der Tugend und ist dieser Altersdurchschnitt der Fahrzeuge nicht freiwillig entstanden: 1998 hatte der Baubetriebshof noch 34 Mitarbeiter war auch Dienstleister für die berühmten Gandersheimer Domfestspiele. Dadurch wurden viele Handwerker wie Bühnenbauer, Maler, Gärtner usw. beschäftigt und die denkmalgeschützten Gebäude versorgt, weshalb sich viele unübliche Berufsbilder auf dem Gelände tummelten.
„Durch die Kurkrise Mitte der 90er Jahre mit einem dramatischen Einbruch im Reha-Bereich, mit Klinikschließungen und entsprechend ausbleibenden Besuchern, blieben die Gelder aus. Der Haushalt der Stadt geriet immer mehr in Schieflage und wurde schließlich 2008 nicht mehr genehmigt“, erinnert sich Andreas Rauther, Leiter des Eigenbetriebs Stadtwerke, zu dem auch der Baubetriebshof gehört.
Das folgende Haushaltssicherungskonzept beinhaltete, dass die sogenannten freiwilligen Leistungen nur noch 4 % des Haushaltsvolumens ausmachen durften, was schlagartig einen Abbau von 2,3 Mio. € bedeutete. „Dafür erklärte sich das Land 2010 im Rahmen eines Zukunftsvertrages bereit, 75 % der bis dato angefallenen Kassenkredite zu übernehmen, wenn besagte Maßnahmen zehn Jahre lang durchgehalten werden“, so Rauther weiter.
Eine einschneidende Situation mit drastischen Konsequenzen, die natürlich vor den Mitarbeitern nicht Halt machten. Frei werdende Stellen wurden nicht wieder besetzt, mit der Folge eines erheblichen Personalabbaus. Und eben eines weitgehenden Investitionsstops. Wobei dies nicht ganz stimmt, wie Andreas Rauther ergänzt: „Der Handlungsspielraum bei der Anschaffung neuer Fahrzeuge und Geräte war in den vergangenen Jahren sehr eingeschränkt, aber nicht völlig verschwunden.“

Begehrtes Schätzchen
Die Fahrzeuge blieben also erhalten, Neuanschaffungen sind seit geraumer Zeit aber nicht möglich. Zum Arsenal zählen u.a. drei Kompaktschlepper, drei Unimog, drei Klein-Lkw von Piaggio, ein Mercedes-Pritschenwagen mit Doppelkabine, zwei Fendt-Geräteträger, ein Fiat-Traktor mit Frontlader, ein VW-Bus sowie ein Dacia zum Personentransport sowie eine Kehrmaschine mit 1,5-m³-Tank.
Hinzu kommen zwei Unimog-Anhänger, drei Fahrzeuganhänger und fünf Anhänger für Traktoren. Die Grande Dame des Fuhrparks ist der 1974 zugelassene Fendt mit Pritschenaufbau. Der Unimog des Jahrgangs 1980 wird liebevoll „Schätzchen“ genannt.
Genau für dieses Schätzchen gibt es immer mehr Interessenten. Immer wieder bekommt Bauhofleiter Torsten Steinbiß Angebote: „Wenn wir planen würden, den mal zu verkaufen, sollen wir uns unbedingt melden. Viele haben Lust, an so einem Oldie noch herumzuschrauben und ihn wieder herzurichten.“ Eine Aufgabe, die für die drei Frauen und 13 Männer des Bauhofes zum Arbeitsalltag gehört. Das ist der Vorteil eines eingespielten Teams: Sie kennen ihre Maschinen und wissen, wann an welcher Schraube gedreht werden muss, damit es im Falle eines Falles wieder läuft. Man legt noch selbst Hand an; bei Elektronikmonstern neueren Datums wäre das in diesem Umfang undenkbar.

An der Kapazitätsgrenze
Dass bei solchen Sparmaßnahmen nicht wie bisher weitergearbeitet werden kann, ist offensichtlich. Der Bauhof verabschiedete sich von den schönen Künsten der Maler und Bühnenbauer und konzentrierte sich auf die wesentlichen Aufgaben der Stadt- und Straßenreinigung und –pflege. „Allen Verantwortlichen war klar, dass es auch hier Einbußen geben wird, quantitativ und auch qualitativ“, blickt Andreas Rauther zurück.
Die Mitarbeiter sind mit ihren Fahrzeugen und Maschinen sowohl in der Stadt Bad Gandersheim als auch in den insgesamt 15 Ortsteilen unterwegs. Ein Arbeitsschwerpunkt ist klassisch die Grünflächenpflege, hier von dem Hintergrund, dass Bad Gandersheim ein staatlich anerkanntes Heilbad ist. Hierzu zählen die Pflege des Rasens und der Parkflächen vor den städtischen Gebäuden und Liegenschaften, sowohl in der Kernstadt als auch in den Ortsteilen. Teilweise fällt auch die Forstpflege in Form des Holzeinschlags im Stadtwald in den Zuständigkeitsbereich. Ende 2008 kam zur Pflege von zwölf Friedhöfen auch noch der Grabaushub dazu.
Nicht zu vergessen sind der Winterdienst, in begrenztem Umfang die Straßenerhaltung und -ausbesserung sowie – natürlich – das Mähen des Straßenbegleitgrüns. „Da wir neben den Straßen teilweise recht breite Grünflächen haben, müssen die Mitarbeiter mit dem Unimog und dem Ausleger durchschnittlich zwei bis drei, teilweise aber auch bis zu fünf Arbeitsbreiten mulchen“, berichtet Torsten Steinbiß. Diese Bankettpflege fällt zweimal pro Jahr an. Insgesamt werden 96 km Gemeindestraßen betreut, einschließlich der Parkplätze. „Die Ressourcen reichen gerade so, um die Anforderungen zu erfüllen. Personell arbeiten wir an der Kapazitätsgrenze“, räumt er ein.
Kooperationen schwierig
Unter diesen Umständen haben sich die Verantwortlichen auch Gedanken über Kooperationen gemacht. Andreas Rauther dazu: „Es gab Überlegungen, einige Arbeiten wie den Winterdienst oder Mäharbeiten an Dienstleister weiterzugeben, mit dem Ergebnis, dass das nicht wirtschaftlicher wäre. Kooperationen mit anderen Gemeinden haben wir ebenfalls diskutiert. Allerdings würde eine gemeinsam angeschaffte Maschine an allen Orten zur gleichen Zeit gebraucht werden, was arbeitswirtschaftlich nur schwer darstellbar wäre.“
Auch die Zusammenarbeit mit dem Landkreis Northeim war schon Thema, wie er weiter berichtet. Hier gingen die Parteien jedoch mit unterschiedlichen Vorstellungen an das Thema heran: „Wir hatten gehofft, sie könnten Aufgaben von uns übernehmen, aber die Kollegen des Landkreises hatten die gleichen Erwartungen an uns.“
Erfolgreich ist jedoch die kurzzeitige Miete von Spezialmaschinen nach Bedarf, wie zum Beispiel eine Arbeitsbühne. Außerdem beanspruchen wiederum externe Firmen ab und zu die Dienste der Bad Gandersheimer Fahrzeuge, weil diese teilweise wendiger sind. Überlegungen, durch länger laufende Miete oder Leasing den Fahrzeugpool zwischenzeitig aufstocken zu können, liefen allerdings ins Leere. „Wenn ich ein Fahrzeug, das ich das ganze Jahr über brauche, für 3.000 € im Quartal mieten kann und dann feststelle, dass mich die Anschaffung des Geräts 12.000 € kosten würde, muss ich nicht lange überlegen und kaufe“, stellt Rauther fest.
Hegen und pflegen
Der Fahrzeugbestand, wie er jetzt aussieht, ist nur einsetzbar, weil das gesamte Personal achtsam ist und die Maschinen pflegt. Zwar ist die bestehende Werkstatt und Schlosserei personell nicht mehr besetzt, die Mitarbeiter nehmen aber einfachere Reparaturen selbst vor, soweit es geht. Bis vor einigen Jahren gab es noch einen Werkstattmitarbeiter, der alles selbst gemacht hat, mittlerweile ist er aber in Rente.
Wo die Mitarbeiter nicht mehr weiterkommen, macht eine Fachwerkstatt weiter. „Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Ersatzteilen gab es bisher nicht. Auch an neue Teile kommt man noch problemlos heran, was vermutlich an den Marken liegt“, sagt Torsten Steinbiß. Wenn doch mal große Reparaturen anstehen, muss im Einzelfall entschieden werden, ob sie durchgeführt werden. Konkret: „Wie lange muss das halten, damit sich das rechnet? Das sind die Überlegungen“, so Andreas Rauther.
Klopf auf Holz – von größeren Schäden ist der Betriebsbauhof bislang verschont geblieben, wie beide zufrieden konstatieren. Sonst wäre nicht sicher, ob das entsprechende Fahrzeug ersetzt werden würde. „Wenn etwas wegkommt, erwartet jeder, dass dafür etwas Neues kommt. Das müssen wir dann erst mal analysieren. Wenn wir das Fahrzeug nicht unbedingt brauchen, wird es auch nicht ersetzt. Wir müssen nicht für jeden Mitarbeiter ein eigenes Fahrzeug vorhalten.“
Neuerungen in Sicht
Der Zehn-Jahres-Plan ist 2020 abgeschlossen; dann können vorsichtig die ersten größeren Investitionen geplant und realisiert werden, wie der Leiter der Stadtwerke hinzufügt. Vielleicht kommt dann auch ein ganz neues Fahrzeug. „Wenn ich mir ansehe, was ein relevanter Unimog gebraucht kosten würde, ist da kaum Unterschied zum Neupreis vorhanden“, hat sich Rauther bereits informiert.
Mittlerweile ist das Ende der rigiden Sparmaßnahmen abzusehen. Dass danach keine großen Sprünge aus dem Stand unternommen werden können, ist allen Beteiligten klar. Dennoch freuen sich die Verantwortlichen auf mehr Planungsspielraum und die Mitarbeiter freuen sich, dass in absehbarer Zeit doch mal neue Fahrzeuge kommen. Bis dahin tut es das alte Eisen auch noch mehr als ausreichend.
>> Die Autorin: Pia-Kim Schaper
Redaktion KommunalTechnik
Erschienen in der KommunalTechnik Augabe 4, 2016.