Gespräche über Winterdienst

Zahlreiche Vertreter von Kommunen und Autobahnmeistereien kamen Ende September zum Kolloquium „Straßenbetrieb“ nach Karlsruhe. In Zusammenarbeit mit den Instituten für Technologie sowie Straßen- und Eisenbahnwesen aus Karlsruhe hatte die Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen (FGSV) eingeladen.
Während der Pausen bot die begleitende Fachausstellung Raum für Gespräche mit Kollegen und Geräte- Herstellern.

Dass der Winterdienst nach wie vor ein Thema ist, das den Straßenbetriebsdienst und alle angeschlossenen Stellen umtreibt, erkennt jeder schnell, der einen Blick auf das Programm des Kolloquiums „Straßenbetriebsdienst“ der FGSV warf: Von zwei Tagungs-Tagen widmete sich die erste Hälfte nahezu komplett dem Winterdienst. Nachdem sich die in den 70er Jahren entwickelte Feuchtsalztechnik, besonders FS 30, zur Standardmethode entwickelt hat, wurde in den letzten Jahren die immer noch zu kurze Liegedauer der festen Salzbestandteile auf den Straßen kritisiert. Versuche hatten gezeigt, dass die Wirkung fester Streustoffe oft innerhalb weniger Minuten deutlich verringert wird. Wind und nachfolgender Verkehr schleudern und wehen das Salz von der Straße. Statt größere Mengen auszubringen, schien 100-prozentige Sole als Abhilfe geeignet zu sein. Die Liegedauer ist deutlich besser, zudem kann sie präventiv ausgebracht werden. Dadurch werden die Gefahren durch überfrierende Reif- und Eisglätte verringert. Hohe Investitionskosten für Solelöse-Anlagen und Ausbringtechnik können durch geringere Salzmengen innerhalb weniger Jahre wieder eingespart werden. Doch auch Sole hat, da sie nur bis zu einer Temperatur von etwa -6 °C ausgebracht werden kann, Nachteile. Dr. Horst Hanke vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr aus Saarbrücken gab einen Überblick über die Entwicklungen der letzten Jahre und stellte die Frage in den Raum, wie es in den nächsten Jahren weitergehen könnte. Für ihn sind Zwischenmöglichkeiten, bei denen der Feuchtigkeitsanteil in den Streustoffen erhöht werde oder FS 30 und Sole von einem Gerät ausgebracht werden können, denkbar.

Sole hat in den letzten Jahren immer mehr Popularität erlangt.

50 % Sole

In Österreich wurden höhere Soleanteile im Feuchtsalz in den vergangenen Jahren schon in der Praxis getestet. Hofrat Josef Neuhold vom Amt der Niederösterreichischen Landesregierung berichtete, dass in Zusammenarbeit mit der TU Wien die Ausbringung von FS 50 bis FS 70 getestet wurde. Dabei sollten die Streuverluste minimiert, der bestehende Fuhrpark aber weiter genutzt werden. Ganz ohne Umbau ging dies nicht; die vorhandenen Feuchtsalzstreuer wurden mit einem weiteren Soletank sowie einem weiteren Schlauch zum Streuteller nachgerüstet. Bei der Ausbringung wurde die Salzmenge, wie sie bei FS 30 ausgebracht wird, beibehalten, nur der Anteil der Sole wurde erhöht. Je nachdem, mit welcher Sole-Konzentration gefahren wurde, veränderte sich die Reichweite der Fahrzeuge. Daher wurden für alle Szenarien Reichweitenanalysen durchgeführt. Nach den bisherigen Erfahrungen sind die Streuverluste bei höheren Soleanteilen deutlich geringer und die Tauprozesse verlaufen schneller. Daher werden neue Fahrzeuge mittlerweile mit der benötigten Ausstattung angeschafft.

Dr. Horst Hanke hatte in seinem Vortrag angemerkt, dass die Entscheidung über die auszubringende Lösung nicht dem Bedienpersonal alleine überlassen werden kann. Veränderte Straßenbedingungen während der Tour, Brücken, Tunnel, Hanglagen, Kreuzungen,… - das Winterdienstpersonal muss alles im Blick behalten. Dazu kommen schwierige Straßenbedingungen und ungünstige Witterung. Daher brachen Ludwig Niebrügge vom Landesbetrieb Straßenbau NRW und die Ministerialrätin Angela Roßmann von der Obersten Baubehörde im Bayrischen Staatsministerium eine Lanze für die elektronische Unterstützung des Winterdienstpersonals.

Während der Pausen bot die begleitende Fachausstellung Raum für Gespräche mit Kollegen und Geräte-Herstellern.

Universale Bedieneinheit

Frau Angela Roßmann argumentierte, dass das Winterdienstpersonal einer Vielzahl von körperlichen und psychischen Belastungen ausgesetzt ist und dabei eine hohe Verantwortung für die Sicherheit aller Straßenverkehrsteilnehmer trägt. Dazu kommt, dass in den meisten Meistereien nicht alle Fahrzeuge baugleich sind bzw. mit den gleichen Pflügen-/Streumaschinen ausgerüstet sind. Durch Schichtbetrieb oder als Aushilfe für erkrankte Kollegen fährt ein Mitarbeiter während der Winterdienstperiode daher meist mehr als ein einziges Fahrzeug. Die Kombinationsmöglichkeiten von Fahrzeugen und Anbaugeräten sind vielfältig und mit jeder Kombination steht das Bedienpersonal neuen Terminals und Einstellmöglichkeiten gegenüber. Dass daher Bedienfehler kaum ausgeschlossen werden können, erscheint logisch. Da bei unbekannten Terminals aber auch die Gefahr größer ist, den Blick von der Straße weg auf das Bedienfeld zu richten, steigt auch das Unfallrisiko. Neben der von Ludwig Niebrügge geforderten Einführung von praxistauglichen Systemen zur automatisierten Streuung fordert sie ein einheitliches Terminal in allen Fahrerhäusern. Dass dies möglich ist, zeigen Beispiele wie das „Standardisierte Pumpenbedienfeld“ für Feuerwehr-Löschfahrzeuge.

Gehölzpflegearbeiten sind immer wieder der Grund für Konflikte mit Anwohnern. Daher gehört die Öffentlichkeitsarbeit schon zu den Vorbereitungen der Maßnahme und sollte mit in die Planung aufgenommen werden.

Ergebnisorientierter Straßenbetriebsdienst

Der zweite Tag wurde von Dr. Jürgen Porwollik von den Landesbetrieben Straßenbau NRW eröffnet. Er stellte eine betriebswirtschaftliche Betrachtung des Straßenbetriebsdienstes in Nordrhein-Westfalen vor. Seit mehr als zehn Jahren werden alle Anlagen der Bundesfern-, Land und Kreisstraßen erfasst und der jeweiligen Meisterei in der Budget-Planung sowie der Ausstattung mit Personal und Fahrzeugen/Geräten angerechnet. Zusätzlich gibt es seit 1998 eine auf SAP-CO basierende Kosten- und Leistungsrechnung. Bei der Erfassung der Aufgaben und Bestände stellten sich die Beschreibungen und Umfänge der Tätigkeiten schwierig heraus. Für ein und dieselbe Tätigkeit gab es in den verschiedenen Meistereien unterschiedliche Vorstellungen davon, was im Detail dazugehört. Ein einheitlicher „Katalog zur Erfassung der Leistungsdaten“ löste das Problem. Auf diese Weise werden die Meistereien landesweit miteinander vergleichbar.

Ein begleitendes Berichtswesen ermöglicht es den Meistereien selbst zu sehen, welche andere Meisterei ähnlich aufgestellt ist und wer wirtschaftlicher agiert. Dr. Porwollik zog aus den Erfahrungen der letzten Jahre den Schluss, dass durch die ergebnisorientierte Steuerung des Straßenbetriebsdienstes die Wirtschaftlichkeit deutlich verbessert werden kann.

Minderbreite Querschnitte

Zu den Erschwernissen in der täglichen Arbeit gehören für Straßenwärter die sogenannten minderbreiten Querschnitte. Wenn der Platz, den der Straßenverkehr und die Aufgaben des Betriebsdienstes inklusive Sicherheitsabstände benötigen, größer ist als der vorliegende Straßenquerschnitt, entstehen Konflikte. Sowohl das Karlsruher Institut für Straßen- und Eisenbahnwesen, als auch die Hochschule Stuttgart, Fachgebiet Verkehrswesen, beschäftigen sich mit der Problematik und stellten die Ergebnisse ihrer Forschung vor. Dr.-Ing. Matthias Zimmermann aus Karlsruhe startete mit einer Übersicht zu den Anforderungen an den Betriebsdienst auf minderbreiten Querschnitten gemäß RSA und ASR A 5.2 und welche verkehrstechnischen Mittel zur Verfügung stehen, um die Situation zu entschärfen – ohne auf die drastische Methode der Vollsperrung zurückgreifen zu müssen. Prof. Dr. Axel Norkauer von der Hochschule Stuttgart stellte in seinem Vortrag vor, wie der Betriebsdienst an die Auswahl von „breitenverträglichen“ Maßnahmen herangehen könnte. Er unterteilte die anfallenden Aufgaben in Gruppen und Cluster – je nachdem, ob die Arbeiten stationär oder beweglich ausgeführt werden, ob Fahrzeuge eingesetzt werden oder nicht etc. Statt einfach zu sagen, „das passt nicht“, stellte er verschiedene Möglichkeiten vor, wie Fahrzeuge als Schutzraum genutzt werden könnten, unter welchen Umständen Bankette als Ausweichraum genutzt werden könnten oder zeitliche Sperrungen – mit oder ohne Lichtzeichenanlage – die Breitenkonflikte auflösen könnten. Auch die Möglichkeit, schmalere Fahrzeuge zu wählen, wurde erwogen – ist in der Praxis aber eher ungern gehört. Der komplette Abwägungsbaum der Möglichkeiten passte kaum auf eine Seite der Präsentation. In der Theorie nehmen Entscheidungen, die in der Praxis innerhalb weniger Sekundenbruchteile gefällt werden, genauso viel Platz ein, wie Entscheidungen, die erst nach mehreren Beratungen oder Anträgen angenommen werden können. Trotzdem sollte vor der Ausführung einer Aufgabe alle Möglichkeiten durchgegangen und die Entscheidungen dokumentiert werden, rät Dr. Norkauer.

Winterdienst stellt Straßenmeistereien und Kommunen alle Jahre wieder vor große Herausforderungen.

Gehölzpflege

Eine Situation, in der es immer wieder zu Spannungen kommt, ist die Gehölzpflege – sowohl im laufenden Straßenverkehr als auch in der öffentlichen Wahrnehmung allgemein. Das Thema ist immer emotional aufgeladen, da Anwohner oder Passanten eine besondere Beziehung zu einem Baum oder einer Allee haben können. Daher ist es Dr. Frank Eilermann vom Landesbetrieb Straßenbau NRW wichtig, die Öffentlichkeit frühzeitig und passend zu informieren und gegebenenfalls über Hintergründe aufzuklären. Öffentlichkeitsarbeit sollte mit in die Maßnahmenplanung aufgenommen werden, um nicht den schlimmsten Fehler von allen zu machen: Gar nichts. Auch wenn es Kritik durch die Bürger gibt, sollte darauf ruhig und sachlich reagiert werden. Gar keine Reaktion wird häufig als Schuldeingeständnis oder Desinteresse bis Ignoranz gewertet. Besonders bei Eingriffen in alte, extensiv gepflegte Bestände kommt es immer wieder zu Konflikten. Die Maßnahmen verändern das optische Erscheinungsbild eines Bestandes oder gar eines ganzen Landstriches und können nicht nur durch kurze Zeitungsartikel kommentiert werden. Präventive Aufklärung und ein transparenter Planungsprozess schaffen eine höhere Akzeptanz.

Eine Kleinigkeit, die neben der Baumpflege auch für andere Baustellen angewendet werden kann und für eine höhere Akzeptanz von Maßnahmen sorgt, ist Ordnung und ein hoher Organisationsgrad. Eine Baustelle, auf der Werkzeug kreuz und quer liegt oder herabfallende Äste erst nach Tagen entsorgt werden, sieht unprofessionell aus. Daher sorgen aufgeräumte Baustellen, ordentliche Arbeitskleidung und die Einhaltung von Arbeitsanweisungen nicht nur für Sicherheit, sondern auch für ein professionelles Bild und damit für mehr Akzeptanz in der Öffentlichkeit.

Tunnelwartung

Auf die Sauberkeit im öffentlichen Raum ging auch Prof. Dr. Christian Holldorb im weitesten Sinne ein. Er hat mit an der Neuauflage des Merkblattes für die Kontrolle, Wartung und Pflege von Straßentunneln – kurz M KWPT - gearbeitet. Zielgruppe des Merkblattes sind die Stellen in den Ländern, Landkreisen, Kommunen und Meistereien, die mit dem Betrieb von Straßentunneln beauftragt sind. Im Merkblatt werden Hinweise auf die Durchführung und Organisation der anfallenden Aufgaben gegeben, sowie durch empfohlene Turni für Kontroll-, Wartungs- und Reinigungsarbeiten ergänzt. Was aber wie und wie häufig durchgeführt wird, ist immer abhängig von der Art und Ausstattung der Einrichtung. Als Beispiel führte er die Wandreinigung auf. Tunnel mit einem einfachen Putz sind anfälliger für Ablagerungen an den Wänden und Decken als geflieste oder anders versiegelte Wandverkleidungen. Daher nimmt die Reflektionswirkung schneller ab, Wand- und Deckenreinigung sollten häufiger durchgeführt werden. Aber auch bei versiegelten Wänden sollte die Reinigung regelmäßig erfolgen, um Ablagerungen auf dem Straßenbelag zu entfernen.

 Etwaige Schäden durch Reinigungsarbeiten können vermieden werden, wenn die Einweisung vollumfassend verläuft und an Besonderheiten wie die schonende Reinigung von Lichtzeichenanlagen etc. durch Handzettel, die dem Arbeitsauftrag beigelegt werden könnten, erinnert wird.

Im Ganzen Betrachtet zieht sich ein deutlicher Tenor durch die Vorträge des Kolloquiums: Die komplexen und vielfältigen Aufgaben werden nicht einfacher. Dokumentationen und gewissenhafte Vorbereitung können Transparenz schaffen und Außenstehende in die Abläufe mit einbeziehen. Um das ausführende Personal zu entlasten, muss die Automatisierung und Standardisierung weiter vorangetrieben werden.

>> Die Autorin: Gesa Lormis,

Redaktion KommunalTechnik

 

Erschienen in der Ausgabe 06/2015 der KommunalTechnik.