Lage im Griff

Anhaltende Schneefälle gab es Anfang/Mitte Januar in weiten Teilen Süddeutschlands. Dies war auch im Allgäu der Fall. Zwar hat es die Region im Südwesten Bayerns nicht so stark getroffen, wie die Landkreise Bad Tölz-Wolfratshausen, Berchtesgadener Land, Garmisch-Partenkirchen, Miesbach und Traunstein. Dort wurde sogar der Katastrophenalarm ausgerufen. Zu tun gab es für die Räum- und Streudienste trotzdem genug. Die Einheimischen sprachen zum damaligen Stand von einem starken, aber nicht von einem extremen Winter. Als das Schlimmste vorbei war, haben wir uns ins Auto gesetzt und den Bauhöfen der Kommunen Wertach, Bad Hindelang und Oberstdorf einen kurzen Besuch abgestattet.
Markt Wertach
Unsere erste Station ist Markt Wertach, eine Gemeinde mit rund 2.500 Einwohnern, nicht weit von der A7 gelegen. Diesen Bauhof haben wir uns aus gutem Grund ausgesucht. Denn hier laufen zwei Fahrzeuge mit Spikes auf den Reifen. „Gesehen habe ich das zum ersten Mal bei meinen Kollegen in Jungholz, Österreich“, erzählt uns Bauhofleiter Peter Fischer. Dort ist das nichts Außergewöhnliches, weil legal. In Deutschland sind Spikes ja seit Mitte der 70er Jahre nicht mehr erlaubt. Mich hat aber schon immer das Gerassel unserer Schneeketten gestört. Deshalb habe ich mich erkundigt ob es möglich ist, eine Sondergenehmigung zu bekommen. Diese haben uns dann Polizei und Landratsamt erteilt. Allerdings dürfen wir ausschließlich auf Gemeinde-eigenen Straßen fahren. Das ist kein Problem, denn seitdem wir eine Ortsumgehung haben, ist die Hauptstraße keine Kreisstraße mehr.“ Die Spikes auf den Reifen des Unimog kommen von der Firma Immler Grip. Sie werden ganz einfach mit dem Akkuschrauber eingeschraubt. Theoretisch könnten sie auch wieder entfernt werden, doch der Wertacher U400 hat zwei verschiedene Bereifungen für den Sommer und den Winter. Gleiches gilt für den Hansa-Geräteträger. Hier hat Fischer jedoch komplett bespikte Reifen aus Österreich gekauft. Hier sind die Spikes aber nicht geschraubt, sondern geschossen.
Die positive Meinung über die Spikes teilt auch Unimog-Fahrer Anton Führer. Er verweist außerdem auf die vielen Reparaturen, die er in der Vergangenheit mit Ketten hatte. Außerdem lobt er den Fahrkomfort und das Fahrverhalten: „Das geht, wie auf Schienen.“
Der U400 läuft hauptsächlich mit Räumschild und Streuer, zusätzlich gibt es für ihn eine Schleuder. Gleiches gilt für den Hansa, für den jedoch eine vollwertige Schneefräse angeschafft wurde. Beide räumen jeweils rund 20 km Strecke. Insgesamt ist der Wertacher Bauhof für 60 km Straßen und 30 km Wege zuständig. Unterstützung im Winterdienst kommt dabei von Dienstleistern. Weitere Bauhof-Fahrzeuge sind ein VW-Bus, ein Pick-up, ein Teleskoplader und ein Radlader. Wertach liegt auf etwa 915 m ü.d.M. Winterliche Bedingungen sind hier nichts Außergewöhnliches.

Bad Hindelang
Weiter geht es über Oberjoch nach Bad Hindelang. Bauhofleiter Andreas Schach hat uns mitgeteilt, dass die Dienstleiter in Unter- und Oberjoch gerade in Richtung der dortigen Skilifte mit Fräsarbeiten beschäftigt sind. Doch leider sehen wir keine Maschinen im Einsatz. Beide Fräs-Fahrzeuge stehen heute mit Defekten in der Werkstatt. Doch es wurde in den letzten Tagen bereits einiges weggearbeitet. Davon zeugen die Frässpuren an den über drei Meter hohen Schneewällen an der Straße. Auch die Parkplätze – die zwei großen gehören der Marktgemeinde, zwei kleinere der Arbeitsgemeinschaft der Liftbetriebe – sind bereits schon wieder frei. Der Skibetrieb läuft unter idealen Verhältnissen auf vollen Touren.
„Eine solche Schneelage ist in der Marktgemeinde Bad Hindelang nichts ungewöhnliches“, sagt Schach. „In diesem Jahr hat es allerdings recht lange und ausdauernd geschneit. Zusätzlich war der erste Schnee ziemlich nass, hat gleich alles zugemacht und musste weggefräst werden, damit Feuerwehr, Rettungsdienst und Busse durchkommen. Kaum war wieder frei, fing es gleich wieder an zu schneien. Wir sind jedoch auf Schneelagen wie diese eingerichtet.“ Eine wichtige Maschine ist der 16 Jahre alte MAN, der dank Frontzapfwelle und hydrostatischem Fahrantrieb (bis 20 km/h, ansonsten mit mechanischem Fahrantrieb und Schaltgetriebe) bestens für den Einsatz mit der Schneefräse von Westa geeignet ist. Unterstützung gibt es vom Unimog Baujahr 1970 eines örtlichen Dienstleisters, der Spedition Ardovara in Oberjoch. Dank eines 300 PS starken Motors ist das beinahe schon historische Fahrzeug durchaus leistungsfähig.

In Bad Hindelang selbst sind noch zwei Gemeinde-eigene Holder Knicklenker, ein Lindner-Unitrac und ein Baggerlader mit Räumschild und Streuer für den Winterdienst unterwegs. Weitere Fahrzeuge sind in den sechs Teilorten stationiert. Außerdem sind noch sechs Dienstleister mit eigenem Gerät für die Gemeinde tätig.
Gestreut wird in Bad Hindelang aufgrund der Höhenlage zwischen 800 und 1.200 m ü.d.M. fast ausschließlich mit Trockensalz und je nach Witterungslage mit Salz/Splitt-Gemisch. „Wo es geht, versuchen wir auf Straßen und Wegen den winterlichen Charakter zu erhalten“, berichtet Andreas Schach. „Geräumt und gestreut wird auf 37 km Straße. Um vor Glatteis sicher auf den Geh- und Winterwanderwegen zu gehen, wir neuerdings auch eine Fräse eingesetzt, wie sie auch bei Pistenwalzen im Einsatz sind.“
Bevor wir weiter nach Oberstdorf fahren, zeigt uns Herr Schach noch eine von drei Schneeablageflächen, die direkt neben dem Sportplatz liegt, dort kann der Schnee in aller Ruhe abschmelzen. Doch das liegt in weiter Ferne. Noch kippen laufend Lkw Schnee ab, der von einem Radlader hochgeschoben wird, um Platz zu sparen. Sie wird auch von der Straßenmeisterei Sonthofen genutzt. Deren Mitarbeiter sind gerade entlang der B 308 mit Fräsarbeiten am Straßenrand beschäftigt.

Oberstdorf
„Dieser Winter ist bisher eindeutig keine Katastrophe“, sagt uns Martin Winkler gleich zu Anfang unseres Gesprächs. Er leitet bei den Kommunalen Diensten der Gemeindewerke Oberstdorf die Abteilung 2 und ist damit für die Straßenreinigung, den Winterdienst und den Gewässerunterhalt zuständig. „Solche Schneemengen haben wir hier immer wieder einmal. Allerdings sind Bürger und Gäste durch die vergleichsweise milden und niederschlagsarmen Winter der letzten Jahre nicht mehr gewohnt, mit mehr Schnee umzugehen. Ich habe die letzten Tage mehrere Anrufe von Fernseh- und Radiosendern bekommen, die von mir Sensationsmeldungen hören wollten. Diese konnte ich jedoch nicht bieten."
Allerdings kann man im Betriebshof schon sehen, dass der Winter am Material seine Spuren hinterlassen hat. Hier steht die Schmidt Supra Schneefräse und wird gerade repariert. „Es ist ganz klar, dass beim Dauereinsatz einmal etwas kaputt geht“, sagt Winkler. „Zumal in letzter Zeit bei der Winterdiensttechnik überall zurückhaltender investiert wurde. Nun sind teilweise die Maschinen in die Jahre gekommen, dadurch anfälliger, aber vor allem sind Ersatzteile oft nur schwer beschaffbar.“

In Oberstdorf sind insgesamt 230 km Straßen und 140 km Wanderwege zu räumen. Winkler steht dafür ein umfangreicher Fuhrpark zur Verfügung. In und um Oberstdorf laufen zum Beispiel Lkw, Unimogs, Lindner Unitracs, Hansa-Geräteträger und vieles andere. „Wir haben unser Gebiet in 33 Lose eingeteilt, die von Fahrzeugen der KDO und Drittfirmen geräumt werden“, erklärt uns der Abteilungsleiter. „Dazu kommen drei Handarbeitstrupps und drei weitere Fahrzeuge, die ausschließlich Wanderwege räumen. Bei Letzteren haben wir gute Erfahrungen mit Eiskratzern gemacht. Wir streuen also nicht mehr komplett, sondern rauen die Oberfläche auf, damit sie griffig und dadurch begehbar wird. Dies spart Streumaterial und Kraftstoff.“
Über allem steht, so Winkler, die Mobilität von Bürgern und Gästen der Gemeinde. Deshalb soll nach Möglichkeit immer schwarz-geräumt sein. Gestreut wird fast ausschließlich mit Salz. Von Splitt oder anderen abstumpfenden Materialien hält Martin Winkler nicht viel. Denn Aufwand und Kosten für die Beseitigung im Frühjahr sind seiner Ansicht zu hoch. Viele fundierte Untersuchungen zu diesem Thema zeigen deutlich, dass eine Splitt-, Sand-, oder Schlackestreuung die Umwelt insgesamt mehr belasten. Und dies alles bei doch stark eingeschränkter Wirkung!

„Manche Gäste kritisieren, dass die schöne Winterstimmung durch die geräumten Straßen leidet“, erklärt uns Winkler. „Wir haben aber keine andere Möglichkeit. Durch unsere schwierige Höhenlage – etwa 800 m ü.d.M. – kommt es immer wieder vor, dass es auf den Schnee regnet. Dann hätten wir Eispisten, die zusätzlich auch wieder aufbrechen und den Verkehr lahm legen können. Dies ist beim heutigen Anspruch undenkbar.
Im Winter sind in Oberstdorf vier Einsatzleiter unterwegs, die den Zustand der Straßen und Wege prüfen. Die Dokumentation erfolgt über ein Web-gestütztes Computersystem namens „Call & Report“. Mit diesem werden die Mitarbeiter per Mobiltelefon alarmiert. Dafür sind bestimmte Szenarien angelegt. Ist eine Alarmierung draußen, bestätigen diese die Mitarbeiter. Auf einen Blick können die Einsatzleiter so sehen, wer zur Arbeit erscheinen wird. Die umständliche Telefoniererei entfällt. Dies ist für einen bedarfsorientierten Winterdienst von großem Vorteil, da hier immer nur Personal alarmiert wird, das auch wirklich benötigt wird.
Was wir in Oberstdorf leider noch nicht sehen können, ist eine Neubeschaffung. Es handelt sich dabei um einen Lkw vom Typ MAN TGM 13.290. Ein ähnliches Fahrzeug läuft bereits seit einigen Jahren, sehr erfolgreich bei den Kommunalen Diensten. Das neue soll jedoch dank Load-Sensing-Hydraulik und vielen anderen Verbesserungen erheblich leistungsfähiger sein. Das wollen wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Deshalb ist der nächste Besuch bei Martin Winkler bereits terminiert.
Johannes Hädicke,
Redaktion KommunalTechnik