Besser als Kompost
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Biomasse fällt beim Mähen von Grünflächen, als Straßenbegleitgrün, dem Heckenschnitt oder als Laub im Herbst an. In vielen Kommunen wird Laub und Grünschnitt kompostiert und holzige Anteile falls möglich verkauft. Diese teils großen Mengen werden mit der Kompostierung aber nicht optimal verwertet und damit wird Energie und Geld verschenkt. Regional erzeugte Biomasse kann stattdessen zur dezentralen Energieversorgung genutzt werden und Kommunen energetisch unabhängig machen.
Im Prozess der Kompostierung von Laub und kommunalem Grünschnitt verrottet die Biomasse langsam und erzeugt dabei klimaschädliches CO². Bei der Kompostierung von Biomasse bleiben nur etwa 5 – 10 % der ursprünglich enthaltenen Energie bestehen - man spricht hier von einer schlechten Kohlenstoffeffizienz.
Es gibt Konzepte, die zu einer besseren Kohlenstoffeffizienz und mehr Energie führen. Das wohl bekannteste und am häufigsten verwendete Verfahren ist die Holztrocknung, denn über den Entzug von Wasser kann der Brennwert erheblich gesteigert werden. Bei der Umsetzung von Grünschnitt zu Biogas im sogenannten bio-chemischen Verfahren kann eine Energieausbeute von 50 % erreicht werden. Die thermo-chemische Vergasung von Biomasse verspricht einen noch besseren Wert und setzt nach der Trocknung des Rohstoffs bei etwa 150°C ein. Austretende Gase, die überwiegend aus Cellulose und Lignin bestehen, entzünden sich bei der Zugabe von Luft (Sauerstoff) bei 230 – 280°C und können Generatoren zur Energieerzeugung antreiben. Im Prozess wird zusätzlich Wärme frei, die genutzt werden kann. Beide Verfahren stoßen jedoch an ihre Grenzen, wenn es sich um Biomasse mit einem hohen Wasseranteil handelt.
Die Redaktion KommunalTechnik hat mit zwei Kommunen gesprochen, in denen alternative Verfahren zur Kompostierung bereits angewendet werden.
Eigenschaften wie fossile Kohle
In Halle wurde im Juli 2013 eine Demonstrationsanlage zur Herstellung von sogenannter HTC-Kohle errichtet. Dieses Projekt mit den Projektpartnern Hallesche Wasser und Stadtwirtschaft GmbH, einem Unternehmen der Stadtwerke Halle, und Deutsches Biomasseforschungszentrum (DBFZ) erhielt im Jahr 2010 die Förderung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) im Rahmen des Förderprogramms „Energetische Biomassenutzung“. Umgesetzt wurde das Projekt gemeinsam mit der Artec Biotechnologie GmbH Bad Königshof.
Im Prozess der Hydrothermalen Carbonisierung (HTC) kann auch nasse Biomasse, wie zum Beispiel Laub, zum Einsatz kommen. Das Besondere an diesem Prozess ist, dass nahezu 100 % des Kohlenstoffs als Energie nutzbar gemacht werden und im Unterschied zur Kompostierung kein klimawirksames CO² an die Umwelt abgegeben wird. Im Verhältnis zur chemisch gespeicherten Energie werden etwa 20 % der Energie für die Wärmezufuhr benötigt, 5 % für den elektrischen Betrieb. Im Prozess wird unter Druck (25 bar) und hohen Temperaturen (220 °C) Biomasse in sogenannte HTC-Kohle umgewandelt.
Wärme vollständig nutzen
Gebaut wurde die Anlage auf dem Gelände der Abfallwirtschaft GmbH Halle-Lochau, ebenfalls einem Unternehmen der Stadtwerke Halle. Die Wärmeversorgung der Anlage erfolgt über Wärmeabgastauscher, die die Abwärme des Blockheizkraftwerks in der unmittelbaren Nachbarschaft nutzen. Dieses verstromt Deponiegas. Die entstehende Wärme wurde bisher nicht genutzt. Die in der Demonstrationsanlage eingesetzten Wärmetauscher machen die Anlage besonders effizient, denn die Abwärme soll dazu beitragen, den verfahrenstechnischen Prozess am Laufen zu halten, d.h. die Biomasse und enthaltenes Wasser auf die notwendige Temperatur zu erhitzen.
Energiebilanzen und optimale Prozessparameter der Anlage werden von Wissenschaftlern des DBFZ, wie Dipl.-Ing. Andreas Clemens, ermittelt. Dort wurde in Laborversuchen weiterhin geklärt, welche Biomasse zu welchen HTC-Kohle-Qualitäten führt. Die enge Zusammenarbeit zwischen Forschung und Praxis soll zum guten Ablauf der Anlage beitragen.
Das Projekt stößt auf große Resonanz bei kommunalen Entsorgungsbetrieben, meint Andreas Clemens vom DBFZ in Leipzig. Er arbeitet im Bereich Bioraffinerien und steht in enger Zusammenarbeit mit Falko Kietzmann, dem Abteilungsleiter Stoffstrommanagement der Halleschen Wasser und Stadtwirtschaft GmbH. „Die Anlage soll in diesem Jahr den vollen Betrieb aufnehmen und erste Forschungsergebnisse liefern. Aufgrund des großen Interesses denken wir über Veranstaltungen nach, um das Projekt Kommunen und interessierten Bürgern vorzustellen“, berichtet Andreas Clemens.
Kommunales Netzwerk
In Eibenstock im Erzgebirge wird kommunaler Grünschnitt aufbereitet und zur Wärmeversorgung genutzt. Dort wurde im Jahr 2010 die Energie Eibenstock GmbH & Co. KG durch Franz Bruckner gegründet und eine Gesellschaft mit der ansässigen Kommune eingerichtet. Es entstand ein Biomassezentrum, das holzige Biomasse sammelt, aufbereitet und verkauft. Mit dem aufbereiteten Grünschnitt werden das eigene sowie zwei lokale Heizwerke der Stadt versorgt. Die produzierte Wärme wird in das vorhandene Wärmenetz der Stadt und in ein eigenes Wärmenetz eingespeist.
Auf einem ehemaligen Sägewerksstandort in Eibenstock wurde die Produktionsstätte zur Aufbereitung eingerichtet. „Wir verarbeiten in der Anlage holzige Biomasse der Kommune wie Baum-, Strauch-, oder Heckenschnitt“, so Beate Bruckner, kaufmännische Assistentin. Die frische holzige Biomasse enthält einen hohen Wasseranteil und daher schlechte Brenneigenschaften. Es wird zunächst zerkleinert, getrocknet und gesiebt. Im Jahr werden schon mehrere tausend Tonnen kommunaler Grünschnitt verwertet und Waldrestholz aus der Region verarbeitet. Um den Heizwert zu erhöhen gelangt die Biomasse in einen Trockner, der mit Abwärme des Heizwerks auf dem Gelände versorgt wird. So entsteht ein effizienter Kreislauf der Grünschnittverwertung und auch schwierige Fraktionen werden nutzbar gemacht.
Die Energie Eibenstock bietet drei Produkte an - Scheitholz, Holzhackschnitzel mit einer Größe von 10 – 50 mm und Holzbriketts. Die Holzbriketts entsprechen der DIN 51731 und enthalten sämtliche Feinanteile, die in der Produktion oder umliegenden Sägewerken anfallen. Sie haben einen vergleichsweise hohen Heizwert und enthalten keine chemischen Zusätze. Das Pressen der Briketts erfolgt in einer Anlage vor Ort. Um auch diesen Prozess energieautark zu gestalten, ist für die Zukunft der Einbau einer Kraft-Wärme-Kopplungsanlage (KWK) auf Holzbasis geplant, bestehend aus Dampferzeuger und Dampfmotor mit Generator. Damit soll neben Wärme auch Strom produziert werden.
Störungsfrei
Die aufbereitete Biomasse versorgt lokale Heizwerke und wird u.a. an gewerbliche Kunden verkauft, die Holz verbrennen oder vergasen. Für diesen Prozess ist gut getrocknetes und gesiebtes Holz nötig. Mit dem Scheitholz richtet sich die Energie Eibenstock überwiegend an Privatkunden, denn das Heizen mit Holz hat Tradition im Erzgebirge. Daher wurde das Projekt seitens der Bevölkerung gut akzeptiert. Vor der Übernahme durch die Energie Eibenstock lief das Heizwerk der Stadt nur schlecht und im Ort kam es häufig zu starker Rauchentwicklung. „Nun werden wir oft von der Bevölkerung gefragt, ob das Heizwerk überhaupt in Betrieb ist, da keine Rauchfahne zu sehen ist“, so Beate Bruckner.
Die entstandene Heizleistung von ca. 1.200 kW wird in das von der Stadt gepachtete Netz und in ein eigenes Wärmenetz eingespeist. Versorgt wurden zunächst das Rathaus, der Kindergarten, die Mittelschule der Stadt Eibenstock und ein Wohnhaus der städtischen Wohnbaugesellschaft. Seit dem Start des Projekts konnte das Wärmenetz ausgebaut werden und im Jahr 2012 drei weitere Gebäude angeschlossen sowie der Nachbarkreis für das Konzept begeistert werden.
Ein Großteil der Biomasse stammt von Kommunen, doch in Zukunft will man mehr Biomasse von Bürgern verwerten. In einer Kooperation mit dem Nachbarkreis sollen nun Grünschnittsammelplätze für die Bürger eingerichtet werden.
Fördermöglichkeiten nutzen
Für interessierte Kommunen gibt es zahlreiche Möglichkeiten eine Förderung zu erhalten. Das Quartierskonzept bietet eine Möglichkeit für Kommunen, den Einsatz erneuerbarer Energien zur autarken Energieversorgung zu analysieren. Ein solches Konzept wurde durch die Energie Eibenstock für einen eingemeindeten Ort erstellt. Analysiert wurden das vorhandene Energienetz und Gebäudestrukturen, anschließend konnten Möglichkeiten für energetische Sanierungsmaßnahmen und Lösungen für die Wärmeversorgung, Energieeinsparung und -speicherung erarbeitet werden. Die Kosten für ein solches Konzept werden teilweise bis zu 80 % bezuschusst. Die KFW Bank bietet beispielsweise Zuschüsse für die Erstellung von Quartierskonzepten an.
Die Beispiele Halle und Eibenstock zeigen, dass es effiziente Möglichkeiten der Biomasseverwertung für Kommunen gibt. Grünschnitt muss nicht immer kompostiert oder verbrannt werden.
Maren Schlauß
Redaktion KommunalTechnik
Erschienen in der Ausgabe 6-2014 der Zeitschrift KommunalTechnik.
Hintergrund Grüne Kohle:
Bis zu 1.000 t grüne Kohle sollen in der Demonstrationsanlage in Halle im Jahr produziert werden. Benötigt werden dazu 2.500 t frische Biomasse, die im Durchschnitt einen Wasseranteil von 50 % aufweist. Aus rund 1.250 t Trockensubstanz können somit 1.000 t Kohle produziert werden. Bislang fällt in der Stadt Halle eine Menge von ca. 13.000 t Grünschnitt pro Jahr an. Die Biomasse wird von der Halleschen Wasser und Stadtwirtschaft gesammelt und besteht hauptsächlich aus Grünschnitt von Bürgern oder Gärtnereien, zusätzlich fällt Biomüll an. Das Grünflächenamt liefert einen großen Anteil an Biomasse, die aus Grasabfall, Heckenschnitt oder Laub besteht. Bislang wird Biomasse auf den örtlichen Wertstoffmärkten gesammelt und auf dem zentralen Betriebshof der HWS GmbH geschreddert. Anschließend erfolgt in der Regel die Verwertung in Kompostierungsanlagen. Ein Teil dieser Biomasse soll für die Demonstrationsanlage zur Verfügung gestellt und in HTC-Kohle umgewandelt werden. Damit die Anlage möglichst störungsfrei arbeiten kann, sind ein Nachzerkleinerer und ein Störstoffabscheider vorgeschaltet.
Der Heizwertvergleich zeigt, dass der Brennstoff HTC-Kohle mit fossiler Kohle vergleichbar ist.