Pflege ohne Pflanzenschutz
Ruhig und still ist es auf dem von dichtem Grün bewachsenen Friedhof Engesohde in Hannovers Süden. In unmittelbarer Nähe zum Maschsee befindet sich das ca. 22 ha große Gelände, das im Jahr 1861 angelegt wurde. Vereinzelt spazieren Besucher auf den breiten Asphaltwegen, die sich als Hauptachsen durch den Friedhof ziehen. Die einzelnen Parzellen sind von dichtem Grün bewachsen. Zwischen alten Eiben und Rotbuchen stehen Gräber mit imposanten Denkmälern und vereinzelt finden sich frisch angelegte Grabstellen. Diese Besonderheit fällt auf bei dem Rundgang über den Friedhof. Die Planer haben auf diesem Friedhof auf die Anlage von Reihengräbern verzichtet und keine der alten Parzellen wird geschlossen. So können sich neue Grabanlagen unmittelbar neben großen, prunkvollen Familiengrabanlagen befinden. Durch die dichte Bepflanzung des Friedhofs gleicht dieser eher einer Parkanlage. Einzig die Grabsteine erinnern daran, dass man sich auf einem Friedhof befindet. Dass sich das Gelände in diesem guten Zustand befindet, ist den 26 Mitarbeitern zu verdanken. Unter anderem kümmern sich die Mitarbeiter um die Pflege der Grabstellen, der Grünflächen und den Baumschnitt sowie kleinere Pflasterarbeiten.
Verzicht auf Pflanzenschutzmittel
Alexej Klein begleitet uns auf dem kleinen Rundgang. Er ist Betriebsleiter des Engesohder Friedhofes und erklärt die Aufgaben seiner Mitarbeiter. "Die gesamte Anlage in diesem Zustand zu halten macht viel Arbeit. Aus diesem Grund stellen wir in der Saison Friedhofshelfer ein. Diese sind meist ungelernte Arbeitskräfte, die uns bei der Grünflächenpflege und dem Unterhalt des Wegenetzes unterstützen.“ Gemeinsam erreichen wir den kleinen Betriebshof am Rande des Friedhofes. Von dort aus starten die Mitarbeiter ihre Arbeit und sämtliche Geräte für den Einsatz lagern hier. Ludger Busse erwartet uns bereits. Er ist Sachgebietsleiter „Betriebliche Aufgaben“ für den Bereich Friedhöfe der Stadt Hannover und betreut die 5 großen und 14 kleineren Friedhöfe der Stadt. „Der Engesohder Friedhof ist zwar nicht der größte der Stadt, aber hier befinden sich zahlreiche Berühmtheiten, die hier ihre letzte Ruhe gefunden haben, unter anderem der Künstler Kurt Schwitters oder der Verlagsgründer Madsack.“
Doch wie kann der hohe Pflegestand der gesamten Anlage aufrechterhalten werden? Im Pausenraum des Bauhofs erklärt Alexej Klein die Organisation: „Mit Beginn der Vegetationsperiode wird für uns vor allem das Wildkraut auf den Wegen zum Problem. Früher haben wir auf den wassergebundenen Wegen Glyphosat-haltige Mittel mit einem handgeführten Gerät ausgebracht. Mittels der Spritze Mini Mantra war es möglich, die Bekämpfung vorzunehmen. Sehr geringe Aufwandmengen vernebelte das Gerät, sodass die Pflanzen dicht über der Oberfläche benetzt werden konnten. Je nach Fläche genügte eine Behandlung für zwei bis drei Monate, “ und Ludger Busse ergänzt: „Ab diesem Jahr wollen wir auf den Einsatz dieser Mittel verzichten. Was die Ausbringung jedoch nahezu unmöglich macht, ist die Auflage, die Mittel nur noch mit kompletter Schutzkleidung zu verteilen. Das können und wollen wir unseren Mitarbeitern nicht zumuten."
Erfahrung mit Dampf, Schaum und Wasser
Der Verzicht auf Pflanzenschutzmittel führt in diesem Jahr bislang dazu, dass sich das Wildkraut ungehindert ausbreiten kann. Neben den asphaltierten Hauptachsen, die die Parzellen voneinander trennen, bestehen viele Wege auf dem Friedhof aus Steinplatten, sind gepflastert oder wassergebunden. Das Wildkraut von und zwischen diesen Belegen zu entfernen, ist eine Herausforderung für alle Friedhöfe in Hannover. Daher informierten sich Ludger Busse und seine Kollegen intensiv über neue Methoden: „Wir haben Praxisvorführungen besucht, in denen die Bekämpfung mit Heißwasser vorgestellt wurde. In den Herrenhäuser Gärten ist ein derartiges Gerät von Wave bereits im Einsatz. Etwa 300 Arbeitsstunden hat das Gerät der Kollegen dort seit der Anschaffung im Sommer 2014 geleistet. Außerdem haben wir uns von zahlreichen Herstellern Testgeräte zur Verfügung stellen lassen, um die Methoden auf den eigenen Flächen zu testen. Dies ist meist etwas anderes, als ein Gerät nur auf einer Vorführung zu sehen. Am liebsten wäre mir ein Gerät, das wir für mehrere Monate im Einsatz testen können. Doch dies wäre zu teuer.“
In Hannover hat man Erfahrung mit verschiedenen Techniken gesammelt. Betriebsleiter Klein erläutert: „Einer unserer Versuche fand vor drei Jahren mit Schaum statt. Das Testgerät hat zwar funktioniert, aber das Unkraut auf unseren Flächen unzureichend abgetötet. Ein weiterer Aspekt, von dem Kollegen berichteten, ist die Reaktion der Friedhofsbesucher. Weißer, dampfender Schaum auf den Wegen sieht gesundheitsgefährdend aus, selbst wenn er es nicht sein mag. Gleiches gilt für die Ausbringung mit Schutzausrüstung. Da läuten bei vielen Friedhofsbesuchern direkt die Alarmglocken.“ Zwar verfügt die Friedhofsverwaltung über ein Beschwerdemanagement, aber die Ängste der Bürger könne man auch mit umfassender Aufklärung nur schwer ausräumen. Alexej Klein sagt: „Oft werden unsere Mitarbeiter während der Arbeit angesprochen, insbesondere durch ältere Besucher. Jede Beschwerde, die uns erreicht, nehmen wir ernst und versuchen diese umfassend zu beantworten.
Die Bekämpfung durch Abflammen kommt für Ludger Busse nach Tests ebenfalls nicht in Frage: „Ein derartiges Gerät haben wir schon vor vielen Jahren angeschafft, setzten es aber nur noch gelegentlich ein. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zunächst ist der Einsatz durch die Verwendung von Gas teuer. Weiterhin hat das Gerät trotz hohen Personaleinsatzes nur eine geringe Flächenleistung, außerdem wird die Umwelt belastet." Doch ganz ohne Technik geht es nicht – im Gegenteil. „Wir möchten unseren hohen Pflegestandart halten und haben dazu immer weniger Personal zur Verfügung. Das Problem kennen sicherlich viele Städte“, erklärt Ludger Busse. Die Senkung des Pflegestandards in den Grünflächen kommt jedoch nicht in Frage. Stattdessen soll der Personalmangel durch den Einsatz von Technik ausgeglichen werden.
Neue Wege
Nach ausführlicher Beratung fiel die Wahl zur Bekämpfung des Wildkrautes auf ein Heißwassergerät. Doch dieses soll nicht auf allen Wegen des Friedhofs zum Einsatz kommen. Auf gepflasterten Wegen wird eine Wildkrautbürste mit einer höheren Flächenleistung eingesetzt. Ein neues Gerät von Voss Gerätetechnik wurde bereits beschafft und liefert zufriedenstellende Ergebnisse. Ludger Busse fasst zusammen: „Die Wildkrautbürste entfernt natürlich nur Oberflächlich und unter Umständen ist eine häufigere Überfahrt der Flächen nötig. Mit dem bisherigen Ergebnis sind wir zufrieden, denn wichtig ist, dass das Unkraut entfernt, aber die Belege nicht beschädigt werden. Auf wassergebundenen Wegen ist der Einsatz dieser Technik nicht möglich. Dafür werden wir das Heißwassergerät einsetzen.“
„Viele der Wege bestehen aus alten Steinplatten, die schon in den 60er Jahren gelegt wurden“, erklärt Alexej Klein: „Immer wieder heben und senken sich die Steine, manche brechen. Wird die Gefahr durch Stolpersteine zu groß oder wäre die Instandsetzung zu aufwendig, pflastern wir die Wege neu. Kleine Reparaturen übernehmen unsere Mitarbeiter, aber große Aufträge vergeben wir an Fachfirmen.“ Probleme mit Wildkraut auf kürzlich erneuerten Belägen gibt es nicht. Der Unterbau aus Schotter und die dicht an dicht verlegten Steine sorgen dafür, dass Wildkraut keinen Platz findet. In Abstimmung mit der Planungsabteilung der Stadt wird über die Art des Weges entschieden, schließlich muss er in das historische Ambiente des Friedhofes passen." Ludger Busse merkt abschließend an: „Wir wollen den Friedhof in diesem hohen Pflegezustand erhalten, auch wenn sich die Beisetzungskultur über die Jahre ändert. Derart große und aufwendig gestaltete Grabanlagen findet man heute selten. Daher ist es unsere Aufgabe, die großen Statuen, Mausoleen und großflächigen Familiengräber für zukünftige Generationen in gutem Zustand zu erhalten."
Maren Schlauß, Redaktion KommunalTechnik
Erschienen in der KommunalTechnik 03/2015.