Jugend motivieren

Der demografische Wandel ist keine Theorie mehr, sondern längst in der Realität der Bauhöfe angekommen. Wer gute Auszubildende gewinnen möchte, muss sich etwas einfallen lassen – wie das Beispiel Heidenheim zeigt. Die Bildungspartnerschaft der Städtischen Betriebe mit einer Schule hat sehr zur positiven Image-Bildung beigetragen und dem Team beim KT-Image-Award einen hervorragenden zweiten Platz in der Rubrik „Beste Einzelaktion“ beschert.
Jugendliche können in Heidenheim den Bauhof kennen lernen.

Welchen Berufswunsch haben Jugendliche im Alter zwischen 12 und 16 Jahren heute? Polizist? Maskenbildnerin? Kfz-Mechatroniker? Ärztin? Generell ist es für die Kids in diesem Alter relativ schwierig, wirklich realistische Vorstellungen zu entwickeln. Eines dürfte in der Job-Hitliste jedoch ziemlich unwahrscheinlich sein: die Tätigkeit im Bauhof als Spitzenreiter. „Die Ursache ist aber nicht unbedingt darin zu sehen, dass es in den Bauhof-Teams keine interessanten Arbeitsplätze gäbe. Doch viele Jugendliche verbinden mit der Stadtverwaltung zuerst mal eine Tätigkeit im Rathaus und wissen schlichtweg nicht, welche Möglichkeiten sich im Bauhof sowie unserer Gärtnerei bieten bzw. wie vielfältig die Arbeit hier ist“, betont Hans-Jürgen Schiffner, seit 16 Jahren Fachbereichsleiter der Städtischen Betriebe Heidenheim.

Sein vollbudgetierter Regiebetrieb hat gut 100 Mitarbeiter/innen. Davon sind derzeit zehn Auszubildende – was einer Quote von beachtlichen 10 % entspricht. Angeboten werden auf der handwerklichen Schiene die Qualifizierungen zu Kfz-Mechatronikern, Gärtnern und Straßenbauern. Die verfügbaren Lehrstellen besetzen zu können, ist jedoch keine Selbstverständlichkeit, im Baubetriebshof ebenso wenig wie in anderen Bereichen der Stadtverwaltung, so sein Hinweis. „Wenn also Moses nicht zum Berg kommt… müssen eben andere Wege gefunden werden. Natürlich können wir den Zustand mangelnden Interesses von Schülern für Lehrberufe bedauern – aber damit ändern wir nichts. Also ist es wichtig, dieses Interesse zu wecken, indem wir auf die Schüler zugehen und ihnen unsere Botschaft altersgerecht vermitteln“, fährt Hans-Jürgen Schiffner fort.

Im Zuge der Bildungspartnerschaft können die Jugendlichen nicht nur die Werkstatt des Baubetriebshofes kennenlernen, sondern ebenso den Gartenbaubetrieb.

Auf Augenhöhe

Auf die Schüler zugehen – diese Aussage ist dabei durchaus wörtlich zu verstehen. Denn der Lösungsansatz sind sogenannte Bildungspartnerschaften mit Schulen, unter anderem mit der Friedrich-Voith-Schule in Heidenheim. Damit stehen die Städtischen Betriebe nicht allein, denn auch Firmen und andere Institutionen, wie etwa ein Altenheim, praktizieren derartige Kooperationen. Ziel der Vereinbarungen ist erstens, in den Schulen einzelne Berufsbilder vorzustellen, und zweitens, den Schülern in den Betrieben live Einblicke in die Arbeit zu geben. Dies kann in Form von Tagesveranstaltungen erfolgen, wie etwa dem Girls Day, oder aber mit Aktionen, die über einen längeren Zeitraum angelegt sind.

Schon den ersten Schritt, die Präsentation in der Schule, hat Hans-Jürgen Schiffner sehr praxisnah gelöst, denn diesen Part übernehmen die Auszubildenden des Bauhofs, die im zweiten oder dritten Lehrjahr sind und schon über eigene Erfahrungen verfügen. Sie bereiten selbst eine kleine Powerpoint-Präsentation vor, stellen sie dann einer oder mehreren Schulklasse vor und beantworten auch die Fragen der Schüler. Begleitet werden sie dabei natürlich von ihrem Ausbilder, falls mal eine „kniffelige“ Frage auftaucht. Aber die Hauptrolle haben eindeutig die Auszubildenden.

Diese Vorgehensweise hat aus Sicht des Fachbereichsleiters mehrere Vorteile. Erstens setzen sich die Azubis noch ein Stück intensiver mit ihrem Berufsbild auseinander. Zweitens lernen sie, ein Thema strukturiert theoretisch aufzuarbeiten. Und drittens ist das „sich präsentieren“ eine gute Schule für sicheres Auftreten in der Öffentlichkeit. „Nicht vergessen werden darf in dem Zusammenhang, dass die Schüler Infos und Botschaft viel bereitwilliger aufnehmen; wenn Jugendliche das aus ihrer Perspektive schildern, sozusagen auf Augenhöhe, und nicht ein Erwachsener“, schildert Hans-Jürgen Schiffner seine Erfahrung. Beabsichtigter Nebeneffekt: Auch die Eltern und vor allem die Lehrer werden stärker für diese Ausbildungsberufe sensibilisiert.

Hans-Jürgen Schiffner leitet die Städtischen Betriebe Heidenheim.

Indianer gesucht

Noch einprägsamer und motivierender ist es jedoch, selbst ausprobieren zu dürfen, es buchstäblich selbst zu begreifen. Deshalb haben die Schüler im Bauhof Heidenheim sowie der zu den Städtischen Betrieben gehörenden Gärtnerei die Möglichkeit, jeweils stundenweise eigene Projekte zu gestalten. In der Regel finden diese Aktivitäten im Rahmen des Werkunterrichts statt, so Hans-Jürgen Schiffner. Als Beispiel nennt er die „Restauration“ eines Mercedes Benz W 124, ein Pkw, der dem Bauhof durch den Mercedes-Benz-Club Deutschland e.V. unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde. Unter Anleitung des Bauhof-Werkstattmeisters Rainer Häußler hatten Mädchen und Jungen die Gelegenheit, den Wagen wieder in einen fahrtüchtigen Zustand zu bringen, was mit großer Begeisterung umgesetzt wurde. Am Ende erhielten sie eine Urkunde für ihr Engagement. Außerdem brachte das Fahrzeug im Rahmen einer Versteigerung für einen karitativen Zweck einen netten Reinerlös von 3.800 €. Auch für die anderen beiden Ausbildungsberufe der Städtischen Betriebe, Gärtner und Straßenbauer, gab und gibt es entsprechende Praktika. So wurde zum Beispiel 2014 ein Kräuter-Schaugarten angelegt oder das Pflaster des Rathaus-Vorplatzes repariert – und damit die Bildungspartnerschaften eine Win-Win-Situation für alle, so Hans-Jürgen Schiffners Einschätzung.

Die Arbeit mit den Schülern bietet zusätzlich die Chance, sie näher kennenzulernen und dabei Aspekte wie handwerkliches Geschick, Teamfähigkeit und Auffassungsgabe zu testen. Das erleichtert die spätere Entscheidung für einen oder mehrere Anwärter auf einen Ausbildungsplatz. „Dabei zeigt sich manchmal auch, was wirklich in einem Jugendlichen stecken kann, selbst wenn die Schulnoten eher mäßig ausfallen. Besonders die Erfahrung handwerklicher Tätigkeit setzt durchaus positive Energie frei. Schließlich ist nicht jeder Schüler prädestiniert für ein Studium oder die vielzitierte Führungsposition – und das ist auch gut so. Um es etwas salopper, aber ausdrücklich positiv zu formulieren: Wir brauchen in der Arbeitswelt nun mal vor allem gute Indianer und nicht nur Häuptlinge“, unterstreicht er.

Auch am Girls Day werden die Angebote der Städtischen Betriebe rege genutzt.

Neue Pfeile im Köcher

Sehr wichtig ist dem Fachbereichsleiter noch ein anderer Aspekt: der Nutzen für die Allgemeinheit. Dieser besteht nicht nur darin, Nachwuchs für die Städtischen Betriebe zu begeistern und so auf Dauer deren Arbeitsfähigkeit zu sichern. Wichtig ist ihm dabei auch die Vorbildfunktion der kommunalen Institutionen, sei es nun, den etwas „Theorie-schwächeren“ Schülern berufliche Perspektiven zu geben, oder aber die Identifikation mit der eigenen Stadt zu fördern. „Indem wir zusammen mit den Schüler-Praktikanten gemeinsam Aktionen umsetzen, die der breiten Öffentlichkeit dienen, identifizieren sich die jungen Leute stärker damit – und dadurch generell mit ihrer Stadt und deren gutem Zustand“, betont Hans-Jürgen Schiffner. Diesen Effekt haben auch diverse Firmen in Stadt und Umland erkannt und unterstützen die Bildungspartnerschaften sowie die Aktivitäten für die Allgemeinheit durch Sponsoring, sei es nun durch Sach- oder Geldspenden.

Motivation hat aber auch viel mit Anerkennung zu tun. Deshalb ist eine rege Öffentlichkeitsarbeit für ihn ebenfalls ein essentieller Bestandteil des Konzepts Bildungspartnerschaft. Berichte in der regionalen Presse im Vorfeld und im Nachgang der Aktionen spielen deshalb eine große Rolle, etwa, als die Teilnehmer der Auto-Restauration ganz offiziell eine Urkunde überreicht bekamen und „stolz wie Bolle“ in die Kamera lächelten. „Umgekehrt realisieren sich durch die Berichterstattung auch unsere Bürger einmal mehr, was die Städtischen Betriebe für die Allgemeinheit leisten. Das ist auch ein Stück Öffentlichkeitsarbeit, wenn auch eher in eigener Sache“, unterstreicht Hans-Jürgen Schiffner.

Für das nächste Ausbildungsjahr hat er bereits einen neuen Pfeil im Köcher: kurze Imagefilme, sowohl zu den eingangs genannten Ausbildungsberufen als auch über die Städtischen Betriebe an sich. Jeweils nur etwa 50 Sekunden lang, durch die jugendliche Brille gesehen und spannend „geschnitten“, sollen sie kurz und knackig die Kernbotschaften vermitteln. Diesen Job hat der örtliche Hobbyfilm-Club übernommen und sehr engagiert umgesetzt, so Schiffners Einschätzung.

Und noch eine Idee wird demnächst realisiert: In der Werkstatt des Bauhofes soll ein Bereich so umstrukturiert werden, dass dort die Praktikanten-Objekte zwischen den „Schrauberstunden“ stehen bleiben können, ohne den Ablauf des Werkstatt-Teams zu stören. Auch das nächste Lehrobjekt steht schon fest: Aufarbeiten alter Mofas und Mopeds. „Damit treffen wir die Lebenswelt der jungen Leute unmittelbar, können sie noch besser begeistern und ganz nebenbei den ohnehin vorhandenen Drang zum Schrauben an den Zweirädern in legale Bahnen kanalisieren – also wieder eine Win-Win-Situation für alle. Und die Zweiräder werden dann auch wieder für einen guten Zweck versteigert“, meint er abschließend.

Jens Noordhof, Redaktion KommunalTechnik

Erschienen in der KommunalTechnik 03/2015.