Vergaberecht: Nachträge bei Leistungsänderungen

Liefer- und Dienstleistungen: Wenn was dazu kommt – wenn sich etwas ändert. Was ist zu beachten?

Bei Beschaffungen der öffentlichen Hand werden mit den Unternehmen Leistungen vereinbart, die sich aus den „Vergabe- und Vertragsunterlagen“ und hier in erster Line aus der Aufgaben- oder Leistungsbeschreibung und dem Leistungsverzeichnis ergeben (vgl. dazu § 1 der Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Leistungen – VOL/B).

Für die Unternehmer gilt: Vertragsgrundlagen vor Abgabe des Angebots prüfen

Vor Abgabe des Angebots muss der Unternehmer prüfen, ob die Leistung ordentlich kalkulierbar beschrieben ist. Ggf. wäre die Vergabestelle um Aufklärung zu bitten. Eigenständige Änderungen des Unternehmers würden zum Ausschluss vom Vergabeverfahren führen.

Der Unternehmer muss allerdings nicht alle „Ungereimtheiten“ bzw. ggf. notwendigen Zusatzleistungen im Vorfeld  erkennen. Die ordentliche Beschreibung der Leistung ist allein Aufgabe des Auftraggebers.

Fallen Leistungsänderungen oder -mehrungen an, so darf diese der Unternehmer grundsätzlich nicht ohne weiteres ausführen. Vielmehr ist zu klären, ob der Auftraggeber diese Leistungen wirklich haben will, und welche Vergütung dafür der Unternehmer erhält.

 

Regeln des Wettbewerbs

Für zusätzliche Leistungen ohne neues wettbewerbliches Verfahren müssen die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 GWB, insbesondere nicht absehbare bzw. nicht vorhersehbare Umstände vorliegen (für den nationalen Bereich: § 47 Abs. 1 Unterschwellenvergabeordnung)

Änderungsverlangen stehen außerdem unter dem Vorbehalt, dass

  • wesentliche Änderungen eines öffentlichen Auftrags während der Vertragslaufzeit ein neues Verfahren erfordern (§ 132 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB),
  • im Vertrag nicht vorgesehene Leistungen möglichst im Wettbewerb vergeben werden sollen, wenn sie sich von der schon vergebenen Leistung trennen lassen und hierdurch insgesamt für den Auftraggeber Vorteile zu erwarten sind.

Für Vergaben im europäischen Bereich (Auftragswerte bei Liefer- und Dienstleistungen allgemein von derzeit ab 215.000  €) ist außerdem § 132 Abs. 3 GWB von Bedeutung, wonach zusätzliche Leistungen als „Nachtrag“ ohne weitere Begründung zulässig sind, wenn sich der Gesamtcharakter des Auftrags nicht ändert, sie bei Liefer- und Dienstleistungen nicht mehr als 10 % des Gesamtauftragsvolumens betragen sowie für sich genommen unterhalb des Schwellenwerts (derzeit 215.000 €) liegen.

Im nationalen Bereich, bei Liefer- und Dienstleistungen unter 215.000 €, können dem Unternehmer, der den (augenblicklichen) Auftrag ausführt, (zusätzliche) Leistungen auch dann als „Nachtrag“ ohne neues Vergabeverfahren übertragen werden, wenn sich der Gesamtcharakter des Auftrags nicht ändert und der Wert der Änderungen nicht mehr als 20 % des ursprünglichen Auftragswertes beträgt. Bei mehreren aufeinanderfolgenden Änderungen ist der Gesamtwert der Änderungen maßgeblich (§ 47 Abs. 2 Unterschwellenvergabeordnung).


Vereinbarung eines “Nachtrags“

Kommt es bei Auftragsänderungen zu einer Einigung zwischen Unternehmer und Auftraggeber, ist eine „Nachtragsvereinbarung“ oder kurz ein „Nachtrag“ (zu einem bestehenden Leistungsvertrag) notwendig.

Nachträge sind zeitnah, möglichst vor Ausführung der Leistungen, und schriftlich zu vereinbaren. Ein wichtiger Bestandteil einer solchen Vereinbarung ist die Festlegung der Vergütung für die geänderten/ neuen Leistungen.


Ermittlung des „Nachtragspreises“

Nachtragspreise ergeben sich aus einem Nachtragsangebot und dessen „Annahme“ in Form einer Nachtragsvereinbarung.

Bei der Vereinbarung des neuen Preises soll von der Preisermittlung des Unternehmers für (vergleichbare) vertragliche Leistungen („Vertragspreise“) ausgegangen werden. Für die Praxis enthält der „Leitfaden zur Vergütung von Nachträgen“ in Abschnitt 510 des Vergabehandbuches des Bundes (VHB Bund)[1] bzw. die Richtlinie L 500 im VHL Bayern[2] wertvolle Hinweise und Erläuterungen zur Ermittlung und Vereinbarung von Nachtragspreisen.

In jedem Fall muss der (Nachtrags-) Preis wirtschaftlich vertretbar sein, was durch eine gründliche Markterkundung nachzuweisen ist.
 

Der Nachtragsvertrag

Ein Nachtragsvertrag besteht mindestens aus dem geprüften (Nachtrags-) Angebot und dem Auftragsschreiben, in dem die neue Gesamtauftragssumme aufzuführen ist. Muster für einen Prüfvermerk und eine Nachtragsvereinbarung enthalten die Vergabehandbücher von Bund und Ländern (vgl. Vordrucke 522, 523 VHB Bund bzw. z. B VHL Bayern).

 

Wenn der Unternehmer Nachtragsforderungen stellt

Wenn im Vertragsvollzug (also nach Zuschlagserteilung) aus der Sicht des Auftragnehmers nicht vereinbarte Leistungen abzusehen sind, hat dieser unverzüglich den Auftraggeber zu unterrichten und darauf hinzuweisen, dass zusätzlichen Leistungen und deren Vergütung in Frage stehen. Diese Mitteilung soll der Unternehmer möglichst mit einem entsprechenden (Nachtrags-) Angebot verbinden.

 

Keine selbständige Änderung des Leistungsumfangsdurch den Auftragnehmer

Bei eigenmächtiger Abweichung des Auftragnehmers vom Vertrag, also ohne vorherige schriftliche Vereinbarung mit dem Auftraggeber, werden Leistungen nach den Festlegungen in der VOL/B (§ 2 Nr. 4) nicht bzw. nur dann vergütet, wenn der Auftraggeber solche Leistungen nachträglich annimmt.[3]

 

Sonstige Vergütungs- und Zahlungsansprüche

Gelangen einzelne Leistungspositionen eines nach Einheitspreisen abzurechnenden Leistungsvertrages nicht zur Ausführung, ohne dass dies auf einer Kündigung, einem Verzicht oder einer Anordnung des Auftraggebers beruht (sogenannte „Null“-Positionen), hat der Auftragnehmer allgemein Anspruch auf Ausgleich. Andere bzw. weitere vertragliche Vergütungsansprüche oder sonstige Zahlungsansprüche des Unternehmers können z. B. bestehen wegen länger dauernder Ausführungsunterbrechung (§ 5 VOL/B), wegen höherer Gewalt oder unabwendbaren Ereignissen. Inhalt des  (zusätzlichen) Vergütungsanspruches sind im Wesentlichen die Gemeinkosten und der Gewinnanteil (ohne Wagnisanteil).

Der Auftragnehmer kann nur dann keine Vergütung beanspruchen, soweit er durch Erhöhung der Mengen bei anderen Positionen oder in anderer Weise (z.B. für geänderte Leistungen nach § 2 Nr. 3 VOL/B und für zusätzliche Leistungen nach § 2 Nr. 4 VOL/B) einen Ausgleich erhält. In diesen Fällen sind die Auswirkungen auf die Gesamtvergütung in der Ausgleichsberechnung zur Vergütungsvereinbarung darzustellen.

Die „sonstigen Vergütungs- und Zahlungsansprüche“ sind formlos unter Darlegung Umstands (z. B.  nicht vom Unternehmer zu vertretende Ausführungsunterbrechung) und der dem Unternehmen entstandenen Kosten zu beantragen.

 

Zusammenfassung

Mit dem Instrument des „Nachtrags“ sollte zurückhaltend umgegangen werden. Die Häufung von Nachträgen lässt u. U. auf Planungsmängel schließen. In jedem Fall müssen die zur Änderung eines Vertrages maßgebenden Gründe, vor allem der neue Preis, wirtschaftlich vertretbar und nachvollziehbar dokumentiert sein. Außerdem müssen die zusätzlichen Haushalts- oder Fördermittel und die Zustimmung des zuständigen Vertretungsorgans (1. Bürgermeister, Gemeinderat) vor Abschluss der Nachtragsvereinbarung vorhanden sein.

Hans Schaller, Dipl.-Verwaltungswirt

 


[1] VHB (fib-bund.de)

[2] stmb.bayern.de/assets/stmi/buw/bauthemen/vergabeundvertragswesen/vhl/23_vergabe_liefer_vhl_vhl_bayern.pdf

[3] Nach den innerdienstlichen Regelungen der öffentlichen Hand kommt eine nachträgliche Annahme abweichender Leistungen nur insoweit in Betracht, wie dem Auftraggeber keine Nachteile entstehen.

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