KT Reportage: Blaumann statt Warnweste
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Im Beckbruchweg 33, am Rande von Recklinghausen, entstand 2007 ein weitläufiger Neubau: der zentrale Betriebshof von Recklinghausen. Er ist die Heimat der Entsorgung, der Straßenreinigung, der Grünflächen- und Straßenunterhaltung, des Friedhofswesens sowie der Kanalreinigung.
Auch die Vermessung hat hier einen Platz gefunden - nahe an den Fachbereichen, mit denen ein ständiger Informationsaustauch bestehen muss. Knapp 400 Mitarbeiter gehen jeden Tag ein und aus. Nur drei Monate nach der offiziellen Eröffnung rückten die Fachbereiche auch organisatorisch zusammen: aus eigenständigen Betrieben wurde einer, die Kommunalen Servicebetriebe Recklinghausen (KSR).
Mit dem Neubau gab es eine neue Werkstatt, in der alle Fahrzeuge der Stadt gewartet und repariert werden und die Fahrzeugflotte der Stadt besteht aus 176 Fahrzeugen: Pkw, Lkw, Kehrmaschinen, Schlepper, Geräteträger und Kanalspülfahrzeuge.
Auf dem Prüfstand
In der Werkstatt gibt es eine extra Halle für die Abnahme der Hauptuntersuchung durch den TÜV, der einmal in der Woche vorbei kommt. „Wir haben uns das Ziel gesetzt, dass für die Abnahme der Prüfung kein Fahrzeug mehr ausfallen soll. Daher finden die Untersuchungen in der Mittagszeit statt, dann können die Mitarbeiter ihre reguläre Pause machen und in die Kantine gehen. Aus irgendwelchen Gründen hat sich der Mittwoch als TÜV-Tag etabliert. Passenderweise ist mittwochs Schnitzel-Tag, dafür kommen viele gern hier rein“, erklärt Uwe Bergander, Leiter des Fuhrparkmanagements, lachend. Damit die Prüfungen innerhalb kurzer Zeit geschafft werden können, hat er zusammen mit Werkstattleiter Thorsten Klauch einen straffen HU-Plan erstellt: „Die in einem Monat fälligen Fahrzeuge, das ist ein gutes Dutzend, werden rechtzeitig durchgesehen und vorbereitet. Für den Prüftag werden jeweils drei bis vier Fahrzeuge angemeldet und abgenommen.“
Neben den Fahrzeugen ist die Werkstatt zusätzlich für 220 Mulden, Container und Presscontainer und fast 500 Kleingeräten wie Motorsensen zuständig. Eine Besonderheit sind die 63 betriebsfremden Fahrzeuge, die ebenfalls regelmäßig die Werkstatt im Beckbruchweg ansteuern: „Seit einigen Jahren haben wir eine Verabredung mit der Feuerwehr, dass wir deren Fahrzeuge ebenfalls warten und reparieren. Das ist eine enorme Erleichterung für die „Floriansjünger“, da nicht jede Vertragswerkstatt das Knowhow hat einen Leiterwagen in Schuss zu halten“, erzählt Uwe Schilling, der Betriebsleiter: „Unsere Mitarbeiter sind flexibel und daran gewöhnt häufig unterschiedliche Arten von Fahrzeugen zu bearbeiten. Das ist eines der Qualitätsmerkmale für unsere Mechatroniker-Ausbildung.“
Wir bieten Perspektive
Seit 2004 werden in Recklinghausen, damals noch in der Werkstatt des Fachbereiches Entsorgungswirtschaft, Mechatroniker ausgebildet. Andreas Balzer gehörte zu einem der ersten Jahrgänge und ist jetzt als Meister mit für die Ausbildung verantwortlich: „Wir versuchen, alle Auszubildenden am Ende der Lehrzeit zu übernehmen. Das geht natürlich nicht immer und manche müssen vielleicht eine Zeitlang in einem anderen Bereich, zum Beispiel der Straßenreinigung, unterkommen. Aber sie bleiben im Betrieb und bei der Stadt.“ Und Uwe Schilling ergänzt: „Es ist vielleicht nicht der Traum eines Mechatronikers später Kehrmaschine zu fahren, aber wir können ihm eine Perspektive und Veränderungschancen bieten. Und wir haben den Vorteil, dass wir in Krankheitsfällen, als Urlaubsvertretung oder bei frei werdenden Stellen, zum Beispiel aus Altersgründen, die Lücken mit Personal aus den eigenen Reihe besetzen können.“ – „Meine Anfänge waren auch bei der Straßenreinigung, erst Jahre später habe ich mich auf eine der Stellen in der Werkstatt beworben“, wirft Thorsten Klausch ein: „Dadurch kann ich sehr gut nachvollziehen, wie die Maschinen funktionieren und was sie leisten müssen. Und wo es klemmt, wenn einer der Fahrer zu uns kommt.“
Die Gründe für das Halten des Personals sind vielfältig. Auf der einen Seite steht das Argument mit dem Personal aus den eigenen Reihen. Uwe Bergander ergänzt dazu: „ Bei jemanden, den wir selbst ausgebildet haben, wissen wir was er kann oder nicht kann und dass er weiß, welche Anforderungen ihn in unserer Werkstatt erwarten. Bei Bewerbern von außen können schon Zweifel entstehen, ob er je ein Kanalspülfahrzeug gesehen, geschweige denn repariert hat. Dass ist der Fall, wenn er jahrelang in einer Kfz-Werkstatt Ölwechsel nach Schema F durchgeführt hat.“
Auf der anderen Seite sieht sich die Stadt Recklinghausen gegenüber den Angestellten in einer sozialen Verantwortung. Mit knapp 116.000 Einwohnern im Stadtgebiet und 616.000 Einwohnern im ganzen Landkreis, gehört Recklinghausen zu den bevölkerungsreichen und dicht besiedelten Regionen Deutschlands.
Viel Büroarbeit und Weiterbildung
Direkt neben der Hauptwerkstatt liegt das Büro von Uwe Bergander und Thorsten Klausch. Gegen Mittag geht es hier zu wie in einem Taubenschlag: der zuständige TÜV-Kontrolleur meldet sich an und nimmt die Unterlagen für die entsprechenden Fahrzeuge entgegen, Mitarbeiter kommen vorbei und geben Lageberichte von ihren Aufgaben oder Schwierigkeiten. Durch die Aufräumarbeiten nach dem Pfingststurm Ela häufen sich derzeit Schadensmeldungen. An einer der Wände des Büros reihen sich Urkunden und Seminarbestätigungen aneinander. Uwe Bergander zeigt auf eine davon: „Manchmal sind es Grundlagen, wie die Einweisung in einen neuen Typ Kehrmaschine, in denen die Mitarbeiter sich Fortbilden. Aber gerade hat ein Kollege eine Einweisung zu Digitalen Funknetzen gemacht und wie die Geräte in Fahrzeugen installiert werden. Das ist etwas besonders und kam auf Initiative der Feuerwehr, die demnächst umrüsten werden. Ein oder zwei Werkstattmitarbeiter speziell für Feuerwehr-Themen schulen zu lassen ist für die immer noch günstiger, als mit allen Fahrzeugen über hundert Kilometer zu fahren.“
In der Werkstatt bereitet Auszubildender Lars Niemierza einen Rettungswagen vor. Der 22-jährige ist im ersten Lehrjahr und schätzt sich glücklich ein, die Ausbildungsstelle bekommen zu haben: „Mechatroniker war schon seit langem mein Berufswunsch.“ Im Augenblick sind zwei Lehrlinge in der Werkstatt der KSR. Auf jede der Stellen kamen 60 bis 70 Bewerbungen.
Gut sortiertes Lager
Um für die häufigsten Reparaturen gewappnet zu sein, werden Verbrauchsgüter wie Schrauben, Lampen und Filter auf Vorrat gelagert: „Bei kleinen Teilen ist das kein Problem. Interessanter wird es bei seltenen Ersatzteilen, die wenige Fahrzeuge brauchen. Da handhaben wir es gerne so, dass die Ersatzteile bestellt werden, sobald sich abzeichnet, dass sie getauscht werden müssen. Dann kommen die Teile in ein extra Regal im Lager und verbleiben dort bis sie notfallmäßig gebraucht werden oder sich ein Austausch anbietet. Etwa weil das Fahrzeug eh in der Werkstatt steht oder gerade wenig gebraucht wird. Dadurch können wir die Ausfallzeiten von Spezialmaschinen reduzieren und auf teuren Expressversand oder Ersatzfahrzeuge verzichten. Das wirkt sich kostensenkend auf unseren Haushalt aus“, sagt Uwe Bergander. Das Lager ist wenige Meter von seinem Büro entfernt. Derzeit gibt es dort einen kleinen Engpass an Kettensägen-Öl – eines der häufigsten Gebrauchsgüter in den Aufräumarbeiten nach dem Sturm.
Recklinghausen hat der Sturm heftig getroffen, die Auswirkungen sind unübersehbar, wenngleich – durch unermüdlichen Einsatzes der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der KSR – bereits viel abgearbeitet wurde Auf einem Platz neben dem angeschlossenen Wertstoffhof, sammeln sich Äste, Stammabschnitte und Laub bergeweise. Ein Schlepper mit Frontlader schaufelt alles in den Häcksler, der das holzige Material zerkleinert. Dies sind erst die Anfänge aus den Gefahrenbereichen. Nach ersten Grobschätzungen ist mindestens ein Viertel des städischen Baumbestandes betroffen. Wie viele Bäume genau, werden erst die Baumkontrollen der nächsten Wochen zeigen. Bis dahin werden noch viele Helfer froh sein, dass Hubsteiger und Kettensägen schnell repariert sind.
>> Die Autorin: Gesa Lormis
Redaktion KommunalTechnik