Vergaberecht: Verbindliche Angebote
Im öffentlichen Beschaffungswesen müssen Angebote “verbindlich“ abgegeben werden. Die Bindefrist beginnt mit Ablauf der Angebotsfrist und endet mit dem in den Vergabeunterlagen vorgegebenen Tag um 24 Uhr. Gibt der Unternehmer ein „unverbindliches“ Angebot ab, so ist er zwingend vom Vergabeverfahren auszuschließen. Bei Erfüllung aller Bedingungen muss auf das wirtschaftlichste Angebot der Zuschlag ohne nachträgliche (Preis-) Verhandlungen erteilt werden.
Eintragungen in das Leistungsverzeichnis – das verbindliche Angebot
Grundlage jeden Verfahrens ist eine detaillierte Leistungsbeschreibung mit einem Leistungsverzeichnis. Sind dem Unternehmer der Leistungsumfang oder die Bedingungen zur Leistungserbringung nur im groben Umfang bekannt, sollte er offene Fragen in einer so genannten „Bieterfrage“ klären. Der Unternehmer darf kein Angebot mit spekulativen oder wirtschaftlich nicht vertretbaren Preisen abgeben.
Das vom Unternehmer mit Preisen versehene Leistungsverzeichnis schließt mit einem Angebotspreis ab. Dieser (Gesamt-) Preis ist Grundlage einer Wertungs- und Zuschlagsentscheidung.
Verlängerung der Bindefrist
Es kann in Einzelfällen vorkommen, dass eine rechtzeitige Zuschlagserteilung nicht möglich ist. Um die sich daraus ergebenden nachteiligen Folgen – keine Bindung des Bieters an sein Angebot – für den Auftraggeber abzuwenden, ist es unumgänglich, dass sich der Auftraggeber baldmöglichst mit den für eine Auftragserteilung in Betracht kommenden (aussichtsreichsten) Bietern über eine Verlängerung der Zuschlagsfrist einig wird. Das Einvernehmen der aussichtsreichsten Bieters muss schriftlich festgelegt werden.
Geht der Zuschlag nach Ablauf der Zuschlagsfrist beim Bieter ein, so gilt dies nach § 150 Abs. 2 BGB als Ablehnung des Angebots und zugleich als neues Angebot des Auftraggebers. In diesem Fall kommt ein Vertrag nur zustande, wenn der Bieter die Annahme des neuen Angebots erklärt. Dies kann auch stillschweigend geschehen.
Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot
Der Zuschlag muss als eine empfangsbedürftige Willenserklärung innerhalb der Bindefrist in einer solchen Art in den Bereich des Bieters gelangen, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen.
Danach gilt ein Zuschlag fristgerecht erteilt, wenn das Auftragsschreiben so rechtzeitig abgesandt worden ist, dass es bei regelmäßigem Beförderungsablauf rechtzeitig zugegangen wäre, der Bieter dies erkennen muss und die Verspätung gegenüber der ausschreibenden Stelle nicht angezeigt wird.
Damit nachgewiesen werden kann, dass die Mitteilung über den Zuschlag auf das unveränderte Angebot rechtzeitig beim Bieter eingetroffen und ein rechtswirksamer Vertrag zustande gekommen ist, wird vom Unternehmer eine schriftliche Bestätigung zum fristgerechten Eingang des Auftrags verlangt.
Nach dem Zuschlag kein Rücktritt vom Angebot mehr möglich
Innerhalb der Bindefrist ist der Bieter an sein Angebot gebunden. Wird auf ein Angebot rechtzeitig, d. h. bis zum Ablauf der Bindefrist und ohne Abänderungen der Zuschlag erteilt, so wird damit nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen, insbesondere nach den Bestimmungen des § 130 BGB über das Wirksamwerden von Willenserklärungen gegenüber Abwesenden, der Vertrag abgeschlossen. Es ist nicht erforderlich, dass der Bieter sein Angebot “annimmt”.
Folgen eines rechtswidrigen Rücktritts vom Vertrag
Entsprechend der angebotenen („versprochenen“) Leistung hat der Unternehmer bei einem wirksamen Zuschlag die Leistung „vertragsgemäß“ zu erbringen (§ 4 VOL/B). Kommt der Unternehmer dieser Verpflichtung nicht nach, liegt eine vertragliche „Pflichtverletzung“ im Sinne des § 7 VOL/B und der §§ 280, 282, 324 BGB vor; er kommt in Schuldnerverzug wegen „Nichterfüllung“ (§§ 275, 283, 311 a BGB).
In der Praxis wird der Auftragnehmer dem Unternehmer eine angemessene Frist zur Erbringung seiner Leistung („letzte Gelegenheit zur Vertragserfüllung“) setzen und diese mit der Erklärung verbinden, dass er nach Ablauf der Frist die Annahme der Leistung ablehne (Nachfrist mit Ablehnungsandrohung).
Bei einem Schuldnerverzugs kann der Auftraggeber „Verzögerungsschaden“, „Nichterfüllungsschaden“ bzw. eine evtl. vereinbarte Vertragsstrafe geltend machen (§ 7 Nr.1 VOL/B, §§ 286 ff BGB, § 11 VOL/B). Bei einer rechtswidrigen Leistungsverweigerung besteht weiter die Möglichkeit, einen Unternehmer wegen „Nichtleistung“ für einen Zeitraum von bis zu drei Jahre von der Vergabe öffentlicher Aufträge auszuschließen.
Wer verbindlich anbietet muss leisten
Ein Unternehmer muss sich klar sein, dass dann, wenn sein Angebot innerhalb der vorgegebenen Bindefrist „angenommen“ wird er verpflichtet ist, zu den angebotenen Bindungen, vor allem zum angebotenen Preis die Leistung zu erbringen. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, besteht die Gefahr des Schadensersatzes und Ausschlusses von weiteren öffentlichen Aufträgen.
Autor: Hans Schaller, Dipl.-Verwaltungswirt