Rechtzeitig das Licht gewechselt
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Die 23.000-Einwohner-Gemeinde Isernhagen befindet sich im Nordosten der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover. Am Anfang stand auch in dieser Gemeinde die Frage: Wie geht man ein solch umfassendes Projekt wie die Sanierung der Straßenbeleuchtung an? „Darüber haben wir Anfang der 90iger Jahre des letzten Jahrhunderts lange diskutiert, als wir begonnen haben uns mit unserer Straßenbeleuchtung auseinanderzusetzen“, blickt Joost Götze zurück und erklärt weiter: „Ich wurde damals als Energiebeauftragter der Gemeinde eingestellt und meine Aufgabe war es unter anderem herauszufinden, wo die Gemeinde Isernhagen in dieser Hinsicht noch Potenzial hatte. Da landeten wir ganz schnell bei der Straßenbeleuchtung, denn diese verursachte damals 50 % der gesamten Energiekosten der Gemeinde. Hier musste es aus unserer Sicht Möglichkeiten geben, Energie zu sparen und damit auch den CO2-Ausstoß zu senken.“ Als problematisch stellte sich aber heraus, dass es keinerlei Dokumentation über die in der Gemeinde verbaute Beleuchtungstechnik gab. „Um mit der Politik diskutieren zu können und Verbesserungsvorschläge machen zu können, war unsere erste Aufgabe, die Bestände zu erfassen“, erinnert sich Joost Götze. Bei über 3.200 Lichtpunkten stellte sich dieses Projekt als eine echte Mammutaufgabe heraus. Jede Leuchte musste einzeln abgearbeitet und dokumentiert werden. Im Zuge der Erfassung der Straßenbeleuchtung wurde jede Leuchte nummeriert. Somit konnten Anwohner ab diesem Zeitpunkt einfacher defekte Lichtpunkte melden.
33 Leuchtentypen im Einsatz
Die Ernüchterung erfolgte nach der Aufnahme der Daten. „1993 hatten wir alles erfasst und mussten dann feststellen, dass es kaum Möglichkeiten gab, Energie einzusparen. Insgesamt hatten wir 33 unterschiedliche Leuchtentypen im Einsatz. Unsere Beleuchtung entsprach dem Stand der Technik. Halogen-Metalldampflampen und LED-Technik gab es damals noch nicht“, so Joost Götze und weiter: „Unsere Beleuchtung bestand zum großen Teil aus Quecksilberdampf-Hochdrucklampen, die nun ja bald verboten sind und die Natriumdampf-Hochdrucklampen, die zwar effizient arbeiten aber über eine mangelhafte Farbwiedergabe verfügen.“ Diese zum Teil mit Doppelbrennertechnik ausgestatteten Lampen halten bis zu 10 Jahre bei einer durchschnittlichen Einsatzdauer von 4.000 h pro Jahr. „Durch Einbau zusätzlicher technischer Komponenten wäre es möglich gewesen, den Energieverbrauch etwas zu senken. Letztendlich hätten diese Maßnahmen unser Verbrauchskonto nicht signifikant entlasten können“, ist Joost Götze überzeugt.
Seit 2010 wird Joost Götze beim Umbau der Straßenbeleuchtung von Ines Wagenknecht unterstützt. Sie hat unter anderem dafür gesorgt, dass die Beleuchtung in die GIS-Software der Gemeinde Isernhagen integriert wurde: „Wir haben einen eigenen Layer für die Straßenbeleuchtung eingerichtet. Dort sind nun sämtliche Lichtpunkte auf Knopfdruck einsehbar. Das erleichtert uns die Arbeit enorm. Z.B. können wir bei einer Störungsmeldung sofort am PC sehen, um welche Leuchte es sich handelt und entsprechend einen Techniker dort hinschicken.“
2008 und 2009 wurden ein Großteil Leuchten mit Quecksilberdampf-Hochdrucklampen an Verbindungsstraßen ausgetauscht. „Dafür haben wir Metall-Halogen-Dampflampen eingebaut. Diese sind deutlich effizienter. Die LED-Technik war zu dieser Zeit technisch noch nicht soweit, dass sie uns Vorteile bei 8-m-Masten gebracht hätte. Die Kosten für den Aufbau von LED wären doppelt so hoch gewesen“, erläutert Joost Götze.
"Pilzleuchten“ und „Puderdosen“
Der richtige Durchbruch in Sachen Straßenbeleuchtung in Isernhagen erfolgte allerdings ab 2009, als in Absprache mit dem Rat ein erster Masterplan für den Umbau der Gehsteigleuchten aufgestellt und Ziele definiert wurden.
In Isernhagen waren in vielen Straßenzügen die für die 70er und 80er Jahre typischen „Pilzleuchten“ und „Puderdosen“ verbaut worden. Diese gelten in Beleuchterkreisen als wahre Energievernichter, da sie das Licht erstens ungerichtet in alle Richtungen abstrahlen und zweitens mit Quecksilberdampf-Hochdrucklampen arbeiten. Vor allem diese Leuchten galt es in einer ersten großen Umrüstaktion zu tauschen. Joost Götze schränkt aber ein, dass es nicht sinnvoll war, die gesamte Straßenbeleuchtung der Gemeinde auf einen Schlag zu erneuern: „Wir haben auch Bestände aus den 90er Jahren. Diese arbeiten zwar nicht so effizient wie LED-Leuchten. Trotzdem haben wir diese nicht sofort getauscht. Wir wollten bodenständig und mit Bedacht handeln und entsprechend stufenweise unsere Beleuchtung umbauen.“
Wichtig sei aus der Sicht der Energiebeauftragten, dass man sich darüber Gedanken macht, was man letztendlich erreichen will. Die DIN und Fachvorschriften müssen natürlich immer berücksichtigt werden. Gerade bei der Modernisierung eines Altbestandes ist dies ein zentraler Punkt. „Die Lichtpunkte können häufig nicht einfach versetzt werden. Es muss also mit der neuen Technik die gleiche Fläche ausgeleuchtet werden. Das muss bei der Auswahl der Leuchten bedacht werden, sonst hat man am Ende schwarze Löcher durch fehlende Ausleuchtung.“
Leuchtenprogramm vereinfacht Auswahl
Die Einführung eines Leuchtenprogramms hat hier eine große Erleichterung gebracht. Heute gibt es lediglich fünf verschiedene Leuchten, die in Isernhagen zu finden sind. Es muss weniger Material für den Service der Leuchten auf Lager gelegt werden. Die Servicemitarbeiter kennen die fünf Leuchtentypen in- und auswendig. Das beschleunigt die Arbeit beim Aufbau, aber auch während der Nutzungsdauer der Leuchten. „Die für die Gemeinde passenden Leuchten zu finden, war allerdings eine aufwendige Angelegenheit und hier sollte sich jeder eigene Gedanken machen, wofür die Leuchten später eingesetzt werden sollen“, empfiehlt Ines Wagenknecht, die zusammen mit Joost Götze einen Kriterienkatalog für die Auswahl der Straßenleuchten erstellt hat. „Man sollte sich auch nicht auf die Versprechen der Hersteller verlassen, sondern die Leuchten in einem eigenen Leuchtenparcour testen. Die Hersteller stellen ihre Leuchten in der Regel kostenlos zur Verfügung. So haben wir den Vorteil, dass wir die Leuchten ganz in Ruhe über einen längeren Zeitraum in der Praxis ansehen und z.B. auch einmal die Zugänglichkeit für Servicearbeiten testen können. Das Licht jeder Leuchte wirkt unterschiedlich. Das sollte man sich genau ansehen, bevor man eine Entscheidung trifft, die voraussichtlich 30 Jahre Bestand haben wird“, fügt Joost Götze hinzu. Die Herausforderung sei dabei auch, Leuchten auszuwählen, die in diesem langen Zeitraum in das Stadtbild passen. „Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir die Funktion an erster Stelle sehen, d.h. wir wählen eher technische Leuchten aus. Das Design ist nicht unwichtig – wir sind in dieser Hinsicht aber eher konservativ und wählen die aus unserer Sicht zeitlosen Varianten aus“, so Ines Wagenknecht.
Wichtig ist es, dass man LED-Module mit Einzelkomponenten auswählt, die auch ausgetauscht werden können. Wenn zum Beispiel bei einem Ausfall der LED-Einheit der gesamte Leuchtenkopf getauscht werden muss, kann aus der anfangs wirtschaftlichen Rechnung schnell eine unwirtschaftliche werden. „Wir wissen ja auch nicht, wie sich die Technik weiterentwickeln wird. Deshalb ist es meiner Meinung nach ratsam, Leuchtengehäuse zu wählen, die ausreichend Platz bieten für zukünftige Technik. Lieber etwas mehr Raum zur Verfügung haben, als nach 15 Jahren den komplettem Kopf tauschen zu müssen“, meint Joost Götze.
Auf 30 Jahre kalkuliert
Hält die Anlage jedoch auch die kalkulierte Zeit durch? Das Kabel sei dabei laut Joost Götze unproblematisch. Die Übergangsmuffe, die in den Mast hineinführt, muss hingegen hin und wieder erneuert werden. Die Masten halten in der Regel 30 bis max. 40 Jahre. „Man muss sich fragen, warum einige Kommunen auf 30 Jahre alte Masten neue LED-Leuchten aufbauen. Der erste Gedanke mag sein, dass man Geld spart. Das ist aber aus meiner Sicht nicht der Fall. Denn was mache ich, wenn der 30 Jahre alte Mast nach 5 Jahren getauscht werden muss? Dann baue ich die Anlage noch einmal komplett um“, erklärt Joost Götze: „Oft passen die Lichtpunkthöhen der Altmasten gar nicht mit der aktuellen Leuchttechnik zusammen. Wenn man keine Dunkelpunkte haben will, müssen die Masten zum Teil verlängert werden. Ich empfehle, den Mast ab einem bestimmten Alter immer mit auszuwechseln. Danach habe ich die nächsten 30 Jahre Ruhe – es sei denn, es wird mal einer umgefahren.“
Isernhagen hat sich bei der Fußwegbeleuchtung für 5 m-Masten entschieden. Bei dieser Masthöhe werden lediglich 14-Watt-LED-Leuchten benötigt, um den Fußweg genauso gut auszuleuchten, wie die Leuchte, die vorher dort stand und eine Leistungsaufnahme von 100 Watt hatte. In der späten Nachtzeit wird die Leistung der neuen Beleuchtung sogar auf 7 Watt reduziert.
Die Masten stehen in einem Abstand von ca. 35 m und bestehen aus Aluminium. Dieses stammt zu 95 % aus Recyclingmaterial. „Aluminium hat sehr viele Vorteile. Es rostet nicht, ist leichter und sieht auch über Jahrzehnte noch besser aus als Stahl“, ist Ines Wagenknecht überzeugt. Die Masten sind zwar im Vergleich zu Stahl etwa 15 % teurer. Die Vorteile wiegen diese höheren Kosten auf.
Den Aufbau der LED-Fußwegbeleuchtung hat eine Firma aus der Region nach einer Ausschreibung übernommen. 2012 wurden so insgesamt zwischen Juni und Dezember 900 neue LED-Straßenleuchten aufgestellt. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorschutz hat in dieser Zeit die Sanierung von kommunaler Straßenbeleuchtung gefördert. Isernhagen hat sich für die 20 %ige Förderung beworben und den Zuschlag bekommen. Anwohner wurden ebenfalls an den Umbaukosten beteiligt, wie es die Satzung der Stadt Isernhagen vorschreibt. „Das waren pro Grundstück im Durchschnitt ca. 200 €“, schaut Joost Götze zurück. Der gesamte erste große Bauabschnitt kostete ca. 1,1 Mio. €.
50 % Energie eingespart
Die jährliche Energieeinsparung durch die neue Gehwegbeleuchtung liegt bei ca. 50 % - in Zahlen ausgedrückt sank der Verbrauch durch die Umbaumaßnahme von ungefähr 1,2 Mio. kWh auf 644.000 kWh. Entsprechend gingen die Kosten pro Jahr um ca. 120.000 € zurück. Der Energiekennwert der Isernhagener Beleuchtung betrug im Jahr 2013 ca. 201 kWh pro Lichtpunkt und Jahr.
„Mit diesen Zahlen lässt sich schnell ausrechnen, ab welchem Zeitpunkt sich der Umbau rechnet. Für unser Beispiel können wir heute sagen, dass wir richtig gehandelt haben“, sagt Joost Götze und ergänzt abschließend: „Wir haben uns rechtzeitig Gedanken über die Notwendigkeit der Sanierung gemacht. Quecksilberdampf-Hochdrucklampen sind in Isernhagen nicht mehr zu finden. Jetzt können wir mit Bedacht den nächsten Schritt in der Sanierung unserer Straßenbeleuchtung gehen.“
„Man muss sich die Kosten der Straßenbeleuchtung natürlich über den gesamten Zeitraum ansehen, für den sie kalkuliert wurde. Spätestens dann muss eigentlich jeder erkennen, dass sich der Schritt zu neuer energiesparender Technik nach kurzer Zeit rechnet“, ergänzt seine Kollegin Ines Wagenknecht und erläutert: „Für unser Beispiel kann ich heute sagen, dass wir durch die Umsetzung unseres Masterplans in 25 Jahren über 3 Mio. € an Energiekosten einsparen werden. Natürlich führen wir ein jährliches Controlling durch und überprüfen, ob wir mit unseren Kalkulationen richtig lagen. Es hat sich dabei jedoch herausgestellt, dass wir in einigen Bereichen sogar zu konservativ gerechnet haben und die Einsparungen deutlich höher liegen, als wir es damals erwartet hatten. Wenn man sich allein die Entwicklung des Strompreises durch die EEG-Umlage in den letzten drei Jahren anschaut, sieht man, wo die Reise hin geht. Der Strompreis wird in Zukunft nicht signifikant sinken.“
Im Moment ist die Gemeinde Isernhagen dabei, die Leuchten für die 8-m-Masten, die an einer vierspurigen Straße stehen, zu ersetzen. Die zweite große Tauschaktion steht also an und Joost Götze sagt abschließend: „Wir sind hier noch in der Testphase und probieren unterschiedliche Leuchtenköpfe aus. Es ist jedes Mal wieder spannend, wenn man das Licht der unterschiedlichen Leuchten abends das erste Mal sieht. Es wird dann schnell klar, welche Leuchte passt bzw. welche gar nicht.“
>> Der Autor: Björn Anders Lützen,
Redaktion KommunalTechnik
Erschienen in der KommunalTechnik Ausgabe 7 2014.