Erziehungsschnitt und Jungbaumpflege

Wie lange zählt ein Baum als Jungbaum, was gehört zur Jungbaumpflege und welche Ziele verfolgt sie? Antworten auf diese Fragen geben wir hier.
Die Grundlage für ein möglichst optimales Jungbaumleben wird durch eine gute Pflanzplanung und fachgerechtes Pflanzen geschaffen. Beides trägt auch zu einer erfolgreichen Jungbaumpflege bei. (Foto: Fabian Dietrich)

Fabian Dietrich von der Baumpflege Dietrich GmbH im schweizerischen Därligen ist Baumpflegespezialist mit eidgenössischem Fachausweis, Baum-Sachverständiger und Gutachter.

Herr Dietrich, wenn es um die Jungbaumpflege geht, stellt sich immer wieder die Frage, wie lange ein Baum als Jungbaum gilt. Wie lautet Ihre Antwort?

Fabian Dietrich: Bis die Ziele des Erziehungsschnitts und der Jungbaumpflege erreicht sind! Und das ist individuell. Stellen Sie sich vor, ein frisch gepflanzter Baum hat eine Gesamthöhe von 5 m. Sie brauchen an der Stelle künftig aber einen Baum mit einem Lichtraumprofil von 5 m. Nur mit stetigem Wachstum wird dieser Baum das Lichtraumprofil erreichen. Das Wachstum hängt ab von der Baumart, von den Standortbedingungen und von den Maßnahmen, die Sie ihm zugutekommen lassen. Man kann also keine allgemeingültige Angabe machen. In aller Regel dauert der Erziehungsschnitt und die Jungbaumpflege zehn bis 15 Jahre ab dem Pflanzzeitpunkt.

Baumpflegespezialist Fabian Dietrich. (Foto: Fabian Dietrich)

Was versteht man unter Jungbaumpflege?

Sie umfasst alle erforderlichen Maßnahmen, wie Wässern bei Trockenheit, Kontrolle der Verankerung und des Stammschutzes sowie Unterhalten der Baumscheibe, nicht aber den Erziehungsschnitt. Das wissen viele nicht. Deshalb muss man Jungbaumpflege und Erziehungsschnitt immer in Kombination nennen. Sie haben folgende Ziele: eine stabile, arttypische und gesunde Baumkrone mit einem dem Standort entsprechenden Lichtraumprofil. Ausnahme sind Formbäume. Bei ihnen erfolgt der Schnitt in eine entsprechende nicht arttypische Form, z. B. eine Schirmform.

Das Lichtraumprofil im Straßenraum ist in der Schweiz und in Deutschland gesetzlich geregelt. In Privatanlagen definiert es der Kunde je nach Nutzen.

Wann starten wir am besten mit der Jungbaumpflege?

Mit den Maßnahmen zur Jungbaumpflege beginnt man unmittelbar nach der Pflanzung des Baumes. Mit dem Erziehungsschnitt sollten wir ein bis zwei Jahre später einsetzen.

Gehen wir auf einzelne Maßnahmen zur Jungbaumpflege ausführlicher ein: Was müssen wir bei der Verankerung bedenken?

Eine fachgerechte Verankerung sollte ein Anwachsen des Baumes in seiner Bewegungsfreiheit ermöglichen und ihn nicht einschränken. Dynamische Elemente sind nötig. (Foto: Fabian Dietrich)

Wichtig bei der Wahl der Verankerung ist: Der Baum soll in Bewegungsfreiheit stabil anwachsen können, aber möglichst nicht eingeschränkt werden. Wir müssen also dynamische Elemente einsetzen. Der Baum muss so lange verankert bleiben, bis er angewachsen ist. Eine konkrete Dauer ist nicht zu nennen. Aber es sind ungefähr drei Jahre – abhängig von Baumart und Größe. Handelt es sich z.B. um einen Standard-Alleebaum mit Stammumfang 20 bis 25 cm und einer Stammhöhe von bis zu 250 cm, dann sollte die Verankerung mindestens drei Jahre verbleiben. Je nachdem, wie schnell der Baum wächst, können aber auch vier bis fünf Jahre sinnvoll sein. Bei Großbäumen sind auch zehn bis 15 Jahre empfehlenswert, also so lange, bis der Baum bei Windeinfluss nicht mehr umstürzen kann.

Um festzustellen, ob ein Gehölz angewachsen ist, entfernt man die Verankerung, umfasst den Stamm und zieht daran. Das geht natürlich nur bis zu bestimmten Baumgröße. Biegt sich der Stamm und der Boden bleibt stabil, dann ist das Gehölz angewachsen und braucht keine Verankerung mehr.

Immer wieder passiert es leider auch, dass eine Verankerung vergessen wird und das Gerüst später am Baum hängt. Oder die Verankerung ist nicht gut gewählt, sie stranguliert den Baum und das Material wächst ein. Deswegen müssen die Gehölze regelmäßig kontrolliert und die Verankerung nachjustiert werden.

Birgit Greuner,
Redaktion KommunalTechnik

Das vollständige Interview lesen Sie in Ausgabe 3/2023.