Winterdienst auf Fußgängerüberwegen

Wann und wo besteht auf Überwegen eine Streupflicht und wie kann diese am besten erfüllt werden? Wir erklären Rechtsrahmen und praktische Ausführung.
Mangelndes Räumen und Streuen einer Gehwegverlängerungen an einmündender Straße

Fußgänger sind die schwächsten Verkehrsteilnehmer. Das sieht auch die Rechtsprechung so, wenn sie die Anforderungen an den Winterdienst festlegt. Dementsprechend sind die rechtlichen Anforderungen an den Winterdienst auf Fußgängerflächen sehr hoch, ganz besonders auf Fußgängerüberwegen. Selbst dann, wenn Fahrzeugverkehr durch Schnee und Eis nur noch eingeschränkt möglich ist, müssen sich Fußgänger immer zu allen Orten in der Stadt und Gemeinde sicher bewegen können.
Diese hohen Anforderungen sind vielen Verantwortlichen nicht bewusst und werden daher oft nicht erfüllt. Dies führt allerdings zu einem hohen Haftungsrisiko, zumal im Winter sich gerade auf Überwegen sehr viele Unfälle ereignen.

Rechtsrahmen – wo ist das geregelt?
Die Anforderungen an den Winterdienst auf Fußgängerüberwegen leiten sich aus der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht nach BGB sowie aus den Landesstraßengesetzen (bzw. Straßenreinigungsgesetzen) ab. Da sie in den Gesetzen nur sehr abstrakt beschrieben sind, werden die Anforderungen sehr weitgehend durch die Gerichte ausgelegt und damit im Detail fixiert. Da auf Überwegen sehr viele Unfälle stattfinden, gibt es auch zahlreiche Gerichtsurteile in diesem Bereich.
Entgegen einer teilweise verbreiteten Auffassung kann man die gesetzlich bestehenden und von den Gerichten ausgelegten Pflichten nicht in der Winterdienst-Satzung der Kommune ausweiten oder einschränken, man kann sie nur konkreter beschreiben und vor allem auch (teilweise) auf die Anlieger übertragen.

Was sind Fußgänger-Überwege?
Bei Fußgänger-Überwegen denkt man natürlich sofort in erster Linie an die markierten Überwege wie Zebrastreifen und Fußgängerfurten an Lichtsignalanlagen, die natürlich auch die wichtigsten Querungsbereiche sind und im Winterdienst gesichert werden müssen.
Doch die Winterdienstpflichten erstrecken sich auch auf andere, nicht markierte Querungsbereiche. Dies sind nicht nur die nicht markierten Querungsbereiche, die durch Mittelinseln („Querungshilfen“) gekennzeichnet sind, sondern vor allem auch alle nicht markierten Straßenquerungen an Kreuzungen und Einmündungen in Verlängerung der Gehwege.
Denn die Richter verlangen, dass man im Winter innerhalb der bebauten Gebiete von jedem Grundstück zu jedem anderen Grundstück sicher kommen kann. Daraus folgt zum einen eine absolute Streupflicht auf allen Gehwegen. Zum anderen muss auch dort gestreut werden, wo ein Gehweg durch eine einmündende oder kreuzende Straße unterbrochen wird, man diese Straße also queren muss.
Damit gibt es in der Stadt bzw. Gemeinde sehr viele Überwege, praktisch an allen Kreuzungen und Einmündungen. Das ergibt zwar sehr hohe Anforderungen für den Winterdienst, ist aber auf der anderen Seite einleuchtend, wenn der Fußgängerverkehr im Winter geschützt werden soll, denn das Queren der Straße ist meist mit der größten Gefährdung verbunden.

 

Überweg über einmündende Straße wurde geräumt und gestreut, aber durch Verkehr wieder zugefahren.

Auf allen Überwegen Streupflicht?
Nein, nicht überall, aber an den meisten Stellen. Nachdem die Gerichte auf Landesebene in der Vergangenheit hierzu teilweise unterschiedliche Auffassungen hatten, hat der Bundesgerichtshof in einem Grundsatzurteil im Jahr 2015 klargestellt, dass Fußgängerüberwege bei Glätte nur zu streuen sind, soweit sie belebt und unentbehrlich sind.
Unentbehrlich bedeutet, dass man den Überweg benutzen muss, um von A nach B zu kommen. Das dürfte allerdings an den meisten Einmündungen und Kreuzungen der Fall sein. Nur dort, wo ein entbehrlicher Weg (paralleler oder Abkürzungsweg) eine Straße kreuzt oder eine Alternative zum Überweg besteht (z.B. eine Unter- oder Überführung), besteht demnach keine Streupflicht.
Das Kriterium der Belebtheit ist allerdings etwas schwieriger festzustellen, da die Richter dies nicht eindeutig definiert haben (also z.B. eine bestimmte Mindestfrequenz der Fußgänger) und im Einzelfall beurteilt werden muss. Insofern sind auch Verkehrszählungen ungeeignet zur eindeutigen Beurteilung.
Praktisch bedeutet dies für die Kommunen, dass sie ihre Straßennetze und deren Fußgängerquerungen danach beurteilen und einteilen müssen, wo belebte Übergänge bestehen.
So können zum Beispiel Überwege in Industrie- und Gewerbegebieten, in denen kaum Fußgänger unterwegs sind, ausscheiden, ebenso auch Überwege am Rande der bebauten Gebiete mit wenig Fußgängerverkehr. Umgekehrt müssen alle Überwege in belebten Innenstadtbereichen, in Straßen mit Geschäften und Einrichtungen mit Publikumsverkehr, insbesondere im Umfeld von Schulen (Schulwegpläne beachten), Krankenhäusern, Altenheimen etc. besonders beachtet werden. Gleiches gilt natürlich im Umfeld von Haltestellen des öffentlichen Nahverkehrs. Damit dürfte ein Großteil der Überwege auch im Winterdienst zu betreuen sein.
Auf jeden Fall kann bei allen markierten Überwegen grundsätzlich von einer Streupflicht ausgegangen werden, denn diese dürfen nach Straßenverkehrsrecht ja nur dort angelegt werden, wo ein besonderes Bedürfnis für die Querung und Sicherung des Überwegs besteht und diese Querung auch belebt ist.
Es verbleibt damit eine große Zahl von Überwegen in der Stadt bzw. Gemeinde, die im Winter gesichert werden müssen: alle markierten, aber auch [...]
Text und Fotos: Dr.-Ing. Horst Hanke, Vorsitzender des VKU-Fachauschusses Winterdienst

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