Problemwolf oder viel Wind um nichts?
Wer sich zum Thema Wolf beliest, stößt auf abenteuerliche Geschichten. Die Kommentare unter Online-Artikeln könnten teilweise durch Jugendschutzraster fallen, so blumig wird beschrieben, welchen Schaden das Raubtier Wolf anrichten kann. Gerade im Internet machen sich in erster Linie Unmut breit, dazu Verängstigung und gefährliches Halbwissen. Seit Beginn der 90er Jahre breitet sich der Grauwolf wieder in Deutschland und Mitteleuropa aus. Rationale Diskussionen über ihn zu führen, ist schwierig. Tierschützer auf der einen Seite sehen sich konfrontiert mit wirtschaftlichen Interessen: Wenn der Wolf ein Schaf reißt, bedeutet das weniger Einnahmen für den Schafzüchter. Oder aber höhere Zäune, die ebenfalls bezahlt werden müssen. Hinzu kommen Eltern, die Angst haben, ihr Kind alleine in den Wald zu lassen, weil ein Wolf in der Nähe gesichtet wurde. Dazwischen stehen die Jäger, die ähnlich gespalten sind wie der Rest der Bevölkerung, allerdings weniger emotional an die Herausforderung Wolf herangeht. Einerseits kann der Wolf eine Hilfe sein und Wild reißen, das für den Waldbau schädlich ist, andererseits reißt er nicht genug, um die Jäger ernsthaft zu entlasten – die Jagd wird eher anspruchsvoller, weil die Tiere vorsichtiger werden.
In Brandenburg hat das Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft eine Strategie gewählt: Es hat ein Expertengremium ins Leben gerufen, das beim Brandenburger Wolfsplenum beratend zur Seite steht. Seit Jahresbeginn gibt es eine Wolfsverordnung. Brandenburgs Umweltstaatssekretärin Carolin Schilde fasst in ihrem Grußword zum 4. Brandenburger Wolfsplenum am 26.4.2017 treffend zusammen, man wolle „zu Verabredungen kommen, die nötig sind, um beim Thema Wolf einen vernünftigen Kompromiss zwischen den verschiedenen Interessengruppen zu erzielen.“ Erfrischend nüchtern bringt sie auf den Punkt, dass der Wolf fortdauernd eine Existenz in Brandenburg haben wird und die damit verbundenen Konflikte im Dialog zwischen Naturschützern, Landnutzern und Verwaltung gelöst werden müssten.
Vom Wolfsmanagement…
Im Wolfsjahr 2016/2017 waren 22 Rudel und drei Paare in Brandenburg bekannt. Insgesamt sollen es 200 Tiere gewesen sein, Bauern und Jäger sprechen in einer Sendung von Antenne rbb von einer Dunkelziffer von 600 Tieren im Land. Vom 1.5.2016 bis zum 30.4.2017 gab es 20 Totfunde – 13 Verkehrsopfer, zwei geschossene Wölfe, drei Tiere mit sonstiger Todesursache (Bissverletzung) und zwei Tiere mit nicht feststellbarer Todesursache. Im Jahr 2016 wurden 128 Fälle als Wolfsrisse gemeldet, von denen sich 29 % nicht bewahrheiteten – bei 71 % ist der Wolf entweder bestätigt oder nicht auszuschließen, was etwa 91 Fällen entspricht.
Man hat einen Plan in Brandenburg, einen Wolfsmanagementplan. Das Wolfsmanagement besteht aus den Säulen Monitoring, Öffentlichkeitsarbeit, Schadensprävention, -ausgleich, und Zugriffsmöglichkeiten bei Wölfen mit für den Menschen problematischem Verhalten. Bereits seit 2012 wird am Wolfsmanagementplan in den Arbeitsgruppen „Herdenschutz“ und „Wolf und Wildbestände“ gearbeitet. Die Richtlinie über die Entschädigung von wolfsbedingen Verlusten an Nutztieren wurde von der EU-Kommission bestätigt – die geleisteten Beihilfen steigen vom Jahr 2016 (rund 45.000 Euro) auf gut 75.000 Euro im Jahr 2017. Zwei Fachfrauen haben im Juni 2017 ihre Arbeit als Wolfs- und Herdenschutzbeauftragte aufgenommen. Sie sollen zunächst für zwei Jahre die Öffentlichkeitsarbeit zum Wolf in Brandenburg und die Beratung der Weidetierhalter intensivieren. Unter anderem sollen sie über Präventionsmaßnahmen informieren und zu Förderanträgen beraten – in Brandenburg können z.B. Landwirte finanzielle Unterstützung bei der Anschaffung eines Herdenhundes beantragen. Um bei tatsächlichen Problemwölfen schnellstmöglich reagieren zu können, wurde die Brandenburger Wolfsverordnung (BbgWolfV) erarbeitet.
…zur Wolfsverordnung
Damit bewegt sich Brandenburg bundesweit auf Neuland. Die BbgWolfV soll Verwaltungen auf der Ebene der Kommunen, der Kreise und des Landes eine rechtssichere Grundlage geben, um auf kritische Situationen mit dem Wolf reagieren zu können. Dieser ist eine streng geschützte Tierart, ein einheitlicher Maßstab für die Entscheidungsträger vor Ort ist notwendig, um zu definieren, wann der Wolf zum Problemwolf wird. Vor allem vor dem Hintergrund, dass Wölfe ihre Erfahrungen schnell weitergeben, muss in Situationen, in denen Weidetiere gerissen werden, ein schnelles Handeln ermöglicht werden. Umweltminister Jörg Vogelsänger betont, dass es keinesfalls darum gehe, den Wolf zum Abschuss freizugeben. Die Reviere seien in Brandenburg mittlerweile besetzt und neuankommende Tiere würden weiterziehen – das Problem löse sich also ein Stück weit von selbst. Wo es das nicht tut, soll die neue Wolfsverordnung greifen – und die Jäger in die Pflicht nehmen.
Am 21.12.2017 unterzeichnete Jörg Vogelsänger schließlich die BbgWolfV. Sie tritt nach ihrer Veröffentlichung Anfang 2018 in Kraft. Als Problemwölfe gelten demnach die Tiere, die sich auffällig verhalten – zum Beispiel ungerührt durch Siedlungen streifen – oder lernen, die anerkannten Schutzeinrichtungen in Nutztierhaltungen zu überwinden und somit vermehrt Nutztiere in gesicherten Anlagen reißen. Bestimmt wird die Wolfsverordnung vom Landesamt für Umwelt (LfU) als verantwortliche Behörde für das Vergrämen, Fangen oder Töten von Wölfen. Wobei das Töten immer die letzte Maßnahme sein soll, solange keine akute Gefahr für den Menschen besteht. Auch der Umgang mit Wolfshybriden und schwer verletzten Wölfen wird geregelt. Klar ist definiert, wer den Problemwolf abschießen soll: Das fällt in den Zuständigkeitsbereich des jeweils räumlich zuständigen Jagdausübungsberechtigten; also den Jäger, der das betroffene Revier betreut.
Die Wolfsverordnung betont klar, dass sie auf den Regeln des Naturschutzrechts basiert und keine Festlegungen zum Jagd- oder Ordnungsrecht getroffen werden können. Rechtliche Grundlage ist das Bundesnaturschutzgesetz, nach dem es verboten ist, wild lebende Tiere besonders geschützter Arten – wie dem Wolf – zu töten, zu verletzen, zu fangen oder ihnen nachzustellen (§ 44). Im Einzelfall lässt das Gesetz jedoch Ausnahmen zu, die ihn § 45 geregelt sind: Wenn erheblicher wirtschaftlicher Schaden droht oder die Gesundheit des Menschen gefährdet ist. Bevor eine Ausnahme zugelassen wird, müssen jedoch alle zumutbaren Alternativen ergriffen werden.
Wölfe dürfen nach der BbgWolfV bei zufälligen Begegnungen von jedem verscheucht werden, sofern der Wolf dabei nicht verletzt wird. Verhält sich der Wolf auffällig (annähern an den Menschen außerhalb eines Kfz, tagsüber in geschlossenen Ortsanlagen, mehrere Tage in unmittelbarer Nähe von Siedlungen) soll das LfU informiert werden und für den Einzelfall Maßnahmen festlegen sowie eine Person mit der Durchführung beauftragen. Das dürfte in den meisten Fällen den ortszuständigen Jäger treffen. Bei aggressiven Wölfen ordnet das LfU die sofortige Tötung ohne Vergrämung an.
Wiederholte Angriffe auf Nutztiere, ab dem zweiten Riss, sollen ebenfalls dem LfU gemeldet werden, das dann ebenfalls im Einzelfall Maßnahmen festlegt und eine Person mit der Durchführung beauftragt. Außerdem werden zumutbare Schutzmaßnahmen für Weidetiere empfohlen wie Elektrozäune und Herdenschutzhunde bei Schafen, Ziegen, Rindern und Pferden. Ausnahmen gibt es bei Wölfen mit unselbstständigen Jungtieren. Auch der Fall, dass ein Jäger sich weigert, wurde berücksichtigt. Dann kann eine andere Person mit Jagdschein und entsprechender Ausrüstung durch das LfU bestimmt werden.
Pia-Kim Schaper
Redaktion KommunalTechnik
Detaillierte Informationen zur BbgWolfV finden Sie hier: https://kurzlink.de/BrandenburgWolf
Wolfsverordnung in Niedersachsen
Auch Niedersachsen hat den Umgang mit dem Wolf klar geregelt. Seit 2014 gibt es eine Richtlinie zum Umgang mit dem Wolf und Wolfsrissen. Viehhalter in Niedersachsen sind dazu aufgefordert, ihre Herden durch Zäune und Herdenschutzhunde zu sichern; dafür können Fördergelder beantragt werden, seit Dezember 2017 in allen Landesgebieten. In den kürzlich neu aufgenommenen Gebieten muss innerhalb von sechs Monaten der definierte wolfsabweisende Grundschutz umgesetzt werden, damit im Schadensfall Billigungsleistungen gewährt werden – auch Hobbytierhalter sind antragsberechtigt. In jedem Landkreis gibt es einen ehrenamtlichen Wolfsberater. Jeder Wolfsübergriff muss von diesen Wolfsberatern protokolliert werden. Eine amtliche Feststellung erfolgt dann durch den Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz, der über die Entschädigungszahlungen entscheidet. In Niedersachsen wurden die Jäger früh ins Wolfsmonitoring einbezogen und haben dadurch einen anderen Bezug zum Thema, da sie zu einem frühen Zeitpunkt involviert wurden.
Detaillierte Informationen zur Wolfsrichtlinie in Niedersachsen finden Sie hier: https://kurzlink.de/NiedersachsenWolf
Raten Sie Ihren Bürgern bei Kontakt mit Wölfen:
- Ruhig und besonnen bleiben
- Durch Klatschen und Rufen auf sich aufmerksam machen, wenn der Wolf Sie nicht bemerkt hat
- Wenn der Wolf sich nähert, Lärm machen und ihn mit Gegenständen bewerfen
- Auf keinen Fall füttern
- Beim Rückzug nicht rennen
- Hunde anleinen
- Sichtungen kranker oder verletzter Tiere einem Wolfsberater melden
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Wolf unter Naturschutz - Tierschutz-Bußgeldkatalog 2024 (bussgeldkatalog.org)