Aus Abfällen Mehrwert schaffen
Älterer Beitrag
Dieser Beitrag ist bereits vor mehreren Jahren erschienen und enthält möglicherweise nicht optimal dargestellte oder veraltete Inhalte.
Der Hunsrück gilt als strukturschwaches Gebiet. Doch Not macht bekanntlich erfinderisch. Der Boom der erneuerbaren Energien ermutigte die Verantwortlichen im Rhein-Hunsrück-Kreis schon früh, das Thema Energieversorgung in die eigenen Hände zu nehmen. 2010 ging das Pilotprojekt "Füllkasten Simmern" an den Start. [...] Ausgehend von kreisweit mehr als 120 dezentralen Sammelplätzen für Baum- und Strauchschnitt und hohen Erfassungsmengen von über 100 Kilogramm je Einwohner und Jahr bei Bio- und Grünabfall ist die Idee der thermischen Verwertung von Baum- und Strauchschnitt entstanden. Die ist eigentlich bestechend einfach. Was regional anfällt, soll zurückgeführt und auch regional genutzt werden.
RückblickDie Rhein-Hunsrück Entsorgung (rhe) stellt als Anstalt des öffentlichen Rechts alle Dienstleistungen in der Abfallwirtschaft zur Verfügung. Bei der Erfassung der Grünabfälle setzte man zunächst auf Straßensammlungen, später stellte die rhe das System auf die dezentralen Sammelplätze um. Dort wurde das Material geschreddert und stand den Bürgern danach zur weiteren, freien Verwertung zur Verfügung. Große Mengen flossen in die Landwirtschaft und Betriebe des Garten- und Landschaftsbaus sowie in Weinbaubetriebe, die das geschredderte Material als Erosionsschutz und Bodenverbesserer einsetzten. Dieses Angebot steht den Bürgern und Betrieben nach wie vor zur Verfügung. [...]
Vom Müllmann zum StoffstrommanagerDer Startschuss fiel dann fünf Jahre später, wobei zunächst die betrieblichen und steuerrechtlichen Voraussetzungen eines Betriebes gewerblicher Art (BgA) für ein Konzept aus einer Hand - von der Erfassung über die Aufbereitung bis hin zur Nutzung - geschaffen werden mussten. Für Günter Hackländer, Abteilungsleiter Abfallwirtschaft und Stoffstrommanagement, war diese kommunalpolitische Entscheidung der entscheidende Schritt in Richtung regionales Verwertungskonzept. "Davor waren wir ausschließlich mit der reinen Müllbeseitigung beschäftigt. Heute betrachten wir die Abfallwirtschaft stets unter dem Gesichtspunkt eines sinnvollen und ökonomischen Stoffstrommanagements. Dahinter steht auch die Idee, dass das Material den Bürgern gehört und die Frage, wie es diesen sinnvoll zurückgeführt werden kann."
Die rhe heizt Schülern einDer Nahwärmeverbund "Auf dem Füllkasten" läuft als Pilotprojekt seit 2009, die Anlagen in Kirchberg und Emmelshausen wurden 2010 bzw. 2011 in Betrieb genommen. [...] "Bei der Entwicklung des neuen Energiekonzeptes kam uns entgegen, dass an den Schulen ein Investitionsbedarf für neue Heizanlagen bestand", erläutert Hackländer. "Diese Kosten hat die rhe übernommen und in die Kostenkalkulation mit aufgenommen." [...] Musste der Landkreis früher etwa 420.000 Euro für 600.000 Liter Heizöl ausgeben, verbleibt das Geld heute in der Region. "Mit diesem konsequenten Ansatz regionaler Wertschöpfung sind wir zudem unabhängig von den zu erwartenden Preissteigerungen bei fossilen Brennstoffen", meint Hackländer. [...]
Spezialisten sind gefordertDie rhe fährt die Sammelstellen mit Containerzügen an, immer einen Teleskoplader "im Gepäck". Im Einmann-Betrieb können die Container so mit dem Grünschnitt beladen und zur zentralen Aufbereitung auf das Gelände der ehemaligen Kreismülldeponie in Kirchberg transportiert werden. Dort wird das Material in verschiedene Fraktionen für unterschiedliche Nutzungen getrennt. Diesen Arbeitsgang übernimmt das Lohnunternehmen Bernhard aus Frei-Laubersheim und profitiert damit ebenso von der regionalen Wertschöpfung wie andere Unternehmen und Handwerksbetriebe. Dafür haben die Betriebsleiter Gernot und Sebastian Bernhard viel Geld in die Hand genommen und kräftig in Spezialtechnik investiert. In Kirchberg kommt ein Langsamläufer Doppstadt DW 3060 Bio Power mit 500 PS zum Einsatz. [...] Für die rhe verarbeitet das Lohnunternehmen das Material zu 40 Prozent Feinfraktion für die Kompostierung und zu 30 Prozent als Mittelfraktion für die Verbrennung. Der Rest wird nachzerkleinert und steht dann ebenfalls als Brennstoff zur Verfügung.
Effizienz über den VerbundDie anschließende Unter-Dach-Lagerung verringert noch einmal den Wassergehalt des Materials und erhöht damit den Heizwert, der bei etwa 4,1 MWh/Mg liegt. Die Heiztechnik in den Schulzentren musste auf den speziellen Brennstoff abgestimmt werden. Die notwendigen technischen Voraussetzungen sind aus wirtschaftlichen Gründen erst ab 500 kW thermischer Leistung und einem Wärmebedarf von über 1,5 Mio. kWh/Jahr sinnvoll. "Das haben wir durch den Verbund mehrerer kommunaler Einrichtungen über ein Nahwärmenetz erreicht", erläutert Hackländer. Im Schulzentrum Simmern werden insgesamt acht Schulgebäude, in Kirchberg drei Sporthallen und sieben Schulgebäude sowie ein Hallen. und Freibad und in Emmelshausen vier Schulen, zwei Sporthallen und ein Nebengebäude beheizt. Jedes Schulzentrum verfügt über ein eigenes Heizhaus sowie über eine eigene Lagerhalle.
FazitDas Nahwärmekonzept des Rhein-Hunsrück-Kreises stößt bei allen Partnern auf eine hohe Akzeptanz. Der Betrieb der Anlagen läuft ausschließlich mit Grünschnitt, der im Kreis in ausreichender Menge anfällt. Die Bürger sind somit ihre eigenen Energielieferanten für öffentliche Gebäude. [...] Die Rhein-Hunsrück Entsorgung möchte ihr Energiekonzept weiter ausbauen und auf andere Energieträger ausbauen. Aktuell befindet sich eine Photovoltaikanlage in Planung, die Nutzung der grünen Biotonne über eine Biogasanlage ist für den Stoffstrommanager Günter Hackländer durchaus realistisch.
Aus KommunalTechnik Ausgabe 4/2012
Die Autorin: Friederike Krick
Baum- und Strauchschnitt aus privaten Haushalten. Ein Teil davon wird energetisch genutzt.
Günter Hackländer, Abteilungsleiter Abfallwirtschaft und Stoffstrommanagement
Das Material wird auf dem Gelände einer ehemaligen Kreismülldeponie vom Lohnunternehmen Bernhard aufbereitet.
Der Transport dorthin erfolgt über Containerzüge der Rhein-Hunsrück Entsorgung.