Alles muss raus
Der letzte Weg endet jedoch keinesfalls auf dem Komposthaufen oder in der Verbrennungsanlage. In Stade wird ein Großteil der ehemaligen Weihnachtsbäume weiterverkauft. In Form von Schreddermaterial verwendet ein Landwirt dieses im Anbau seiner Heidelbeer-Kultur. Doch so weit ist es noch nicht. Nach Weihnachten, spätestens im neuen Jahr nach dem Feiertag der Heiligen Drei Könige, landen die ausgedienten Weihnachtsbäume auf der Straße. „Wir starten die Abfuhr in der Regel ab dem 07. Januar und sind für zwei bis drei Wochen beschäftigt“, erklärt John Rolff. Er ist für die kommunalen Entsorgungsarbeiten der Karl Meyer-Gruppe verantwortlich. Das private Unternehmen arbeitet eng mit dem Landkreis Stade zusammen und übernimmt einen Großteil der Entsorgungsarbeiten, wozu unter anderem auch die Abfuhr von Hausmüll und Biotonne gehört. „Im Jahresverlauf macht die Entsorgung der Bäume nur einen sehr kleinen Teil unserer Arbeit aus“, erzählt John Rolff weiter: „daher ist die Abfuhr auch in der Müllgebühr enthalten – dies ist quasi eine kostenlose Zusatzleistung.“
Vor die Tür damit
Das ist nicht in jeder Kommune der Fall. Wie wir bereits in einer Umfrage (KommunalTechnik Ausgabe 07/2014) dargestellt haben, wird die Abfuhr in Kommunen sehr unterschiedlich gehandhabt. In einigen Gebieten organisieren freiwillige Feuerwehren den Abtransport, vielfach können Bäume zu Sammelplätzen gebracht werden, oder sie müssen beim Wertstoffhof abgegeben werden. John Rolff sagt: „Die Bürger wissen unseren Service zu schätzen, denn die Bäume müssen nur abgeschmückt und gut sichtbar vor dem Grundstück abgelegt werden, damit wir sie einsammeln können. Mit unseren Sammelplätzen haben wir keine guten Erfahrungen gemacht. Die Anonymität solcher Plätze verleitet oft dazu, auch andere Gegenstände zu entsorgen, oder die Bäume nicht vollständig zu entschmücken.“
Wann die Bäume von der Entsorgungsfirma abgeholt werden, wird vorher im Umweltkalender festgehalten. Sabine Kiehl ist im Landkreis Stade für die Weihnachtsbaumentsorgung zuständig und stimmt die Termine mit der Firma Karl Meyer ab. „Die Entsorgung findet jedes Jahr etwa zur gleichen Zeit statt. Manchmal kommen Beschwerden, dass die Bäume noch nicht geholt wurden, doch die Firma Karl Meyer fährt nach einem festen Plan ab. Im Umweltkalender halten wir außerdem fest, wie die Bäume beschaffen sein müssen, damit sie entsorgt werden können.“
Der Trend: ein 2. Baum
Während wir von der Redaktion KommunalTechnik ein Sperrmüllfahrzeug, das für die Weihnachtsbaum-Sammlung eingesetzt wird, bei der Arbeit begleiten, sehen wir warum die Maße von Weihnachtsbäumen genau vorgeschrieben sind. Bei Bäumen über 2 m Länge und mit einem Stammdurchmesser über 20 cm kommt das Fahrzeug an seine Grenzen. Die Bäume werden durch den Schacht eingeworfen und im Fahrzeug gepresst; etwa 6 t Weihnachtsbäume fasst das Fahrzeug voll beladen. John Rolff berichtet dazu: „Unsere Mitarbeiter sind natürlich tolerant. Es wird keiner kommen und die Bäume an Ort und Stelle vermessen. Jedoch beschädigen zu dicke Bäume die Maschine und Schmuckreste können nicht kompostiert werden. Selten kommt es daher vor, dass wir Bäume stehen lassen.“ Sabine Kiehl ergänzt: „In letzter Zeit beobachten wir auch vielfach, dass Bäume mit samt Wurzelballen an der Straße liegen – dies war ja eigentlich nicht Ziel der Sache. Im kommenden Jahr werden wir diesen Punkt daher mit in den Umweltkalender aufnehmen.
Eine Veränderung, die Sabine Kiehl und das Entsorgungsunternehmen feststellen können: der Trend geht zum Zweitbaum. In den USA ist es bereits gang und gäbe, das Haus mit mehreren Bäumen zu schmücken und auch in Deutschland gibt es häufig mehr als einen Baum pro Haushalt. Hausbesitzer entlang eines Straßenzuges kaufen beispielsweise Bäume, um das Wohngebiet zu schmücken. Trotz des großen Angebots an Weihnachtsbäumen aus Kunststoff bleibt die anfallende Menge über die Jahre konstant und als Richtwert gilt ein Weihnachtsbaum pro Haushalt. „Wir entsorgen im Schnitt 250 t Bäume. Im Jahr 2013 waren es 265 t, aber im Mittel schwankt der Wert um +/- 10 t. Wir setzten für die Abfuhr acht bis zehn Personen ein, die mit drei Fahrzeugen pro Tag unterwegs sind und die Arbeit etwa gegen 6 Uhr morgens beginnen“, erklärt John Rolff.
Duftende Angelegenheit
In der dunklen Jahreszeit ist es nicht einfach die Bäume in der Dunkelheit zu finden. So kann es vorkommen, dass die Mitarbeiter den einen oder anderen Baum übersehen, aber dieser wird dann bei der nächsten regulären Müllabfuhr mitgenommen. Häufig erschwert Schnee zusätzlich die Arbeit, oder wie bei unserem Besuch, starker Regen und Wind. „Klarer Frost ist uns bei der Arbeit am liebsten“, erklärt ein Mitarbeiter des Entsorgungsunternehmens: „bei diesem Regenwetter ist man nach kurzer Zeit, trotz Arbeitskleidung, durchnässt.“ Einen positiven Nebeneffekt im Vergleich zur Arbeit im Sommer bemerken wir jedoch: Die gepressten Weihnachtsbäume riechen deutlich angenehmer als eine Biotonne bei 30°C.
Eher unabsichtlich erschweren viele Bürger den Mitarbeitern den Ablauf der Arbeit. Da es im Norden häufig stürmisch sein kann, werden die Bäume nicht selten am Gartenzaun festgebunden. „Als ein Mitarbeiter den Baum angehoben hat, musste schon mal ein alter Jägerzaun daran glauben“, berichtet John Rolff schmunzelnd. Bei seiner Arbeit hat er schon einige kuriose Geschichten erlebt. Manch ein Bürger möchte es sich besonders einfach machen und entsorgt den Baum samt Weihnachtsschmuck über den Balkon. Derart besondere Vorkommnisse sind jedoch eine Seltenheit. Große Bäume kommen in ländlichen Gebieten hingegen häufiger vor und er meint: „Da fragt man sich manchmal, wie so große Bäume zuvor transportiert wurden. Aus den Stämmen könnte man glatt gutes Brennholz machen. Bei der Entsorgung sind mir die kleinen Bäume in Wohngebieten am liebsten.“
Zu wenig Abnehmer
Der Landkreis Stade umfasst zwei größere Städte sowie neun Samtgemeinden. In diesem Bereich sammelt die Firma die Bäume ein und bringt sie zu den Abfallwirtschaftszentren (AWZ). In Stade liegen Firma Meyer, das Recyclingzentrum (RZS) der Karl Meyer Gruppe und das Abfallwirtschaftszentrum im Süden der Stadt nah beieinander. Die Müllfahrzeuge liefern ihr Material beim AWZ ab, wo die Bäume in großen Mieten gesammelt werden. Sabine Kiehl erklärt den weiteren Ablauf: „Die Weihnachtsbäume werden hier gesondert zerkleinert und dieses Material können wir an Firmen aus der Umgebung verkaufen. Sehr gefragt ist es zum Beispiel in der Heidelbeerkultur.“
Das Schreddermaterial der Bäume säuert den Boden bei der Zersetzung an – optimal für Heidelbeeren, die einen niedrigen pH-Wert des Bodens bevorzugen. Der Anteil, der nicht über diesen oder andere Wege verkauft werden kann, wird der thermischen Verwertung zugeführt.
„In unserem AWZ werden große Mengen Grünschnitt angeliefert“, erklärt Sabine Kiehl. „Insbesondere im Jahr 2014 ist sehr viel Biomasse durch gute Wetterbedingungen angefallen. Es wurde sehr häufig gemäht und auch die Grünschnittmengen waren erhöht. Unser Problem ist es, die großen Mengen des kompostierten Materials wieder loszuwerden, denn der Verkauf an private Haushalte macht einen sehr geringen Teil aus. Die Hauptabnehmer sind Landwirte, doch durch die strengeren Gesetzesauflagen in Bezug auf den Nährstoffgehalt der Böden sinkt die Nachfrage. Bei Aktionen wird daher das Material gelegentlich zum halben Preis angeboten.“
Illegale Müllsammler
Die Entsorgung der Biotonne und des Hausmülls wird im Landkreis Stade kommunal organisiert. Die Papiertonne sowie Wertstoffsäcke werden gewerblich gesammelt – in diesem Fall durch die Firma Karl Meyer. Im Jahr 2013 wurden 23.000 t Hausmüll, 12.000 t Biomüll, 14.000 Papiermüll, 6.000 t Wertstoffe und 5.000 t Sperrmüll entsorgt. Die Entsorgung des Sperrmülls erfolgt zwei Mal jährlich und ist noch kostenlos. „Doch insbesondere das Sperrmüllsystem wird in jeder Kommune anders gehandhabt“, berichtet John Rolff. „Hinzu kommt, dass viele illegale Sammler die Abstellstellen systematisch nach Elektrogeräten durchsuchen. Eigentlich ist dies verboten und der Landkreis Stade hat schon Aufkleber entworfen, die darauf aufmerksam machen. Jedoch hält dies viele nicht davon ab. Uns ist es schon passiert, dass wir zu einer Abholung gefahren sind und vor Ort war nicht eine Schraube übrig. Das ist für uns natürlich ein großer wirtschaftlicher Schaden, wenn Maschinen und Mitarbeiter umsonst unterwegs waren.“
„Illegale Müllsammler gibt es leider immer wieder, auch wenn wir selten direkt auf sie treffen“, berichtet Sabine Kiehl abschließend: „besonders auf weiße Ware, also Elektrogeräte, haben sie es abgesehen. Denn durch den Verkauf von Stromkabeln, die Kupfer enthalten, lässt sich Gewinn machen. Bei Weihnachtsbäumen ist dies aber zum Glück nicht der Fall. Die Entsorgung macht zwar nur einen verschwindend geringen Teil der Entsorgungsarbeiten aus, aber der Ablauf funktioniert problemlos.“
>> Die Autorin: Maren Schlauß,
Redaktion KommunalTechnik
Erschienen in der KommunalTechnik Ausgabe 07/2015