Stadt Zürich: Eis auf der Tagesordnung

Winterdienst in der Stadt Zürich bietet vielseitige Herausforderungen. Die sorgfältige Vorbereitung ist die gesunde Grundlage dafür.
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Wenn der Winterdienst ausgerufen wird, muss jeder Handgriff sitzen, deshalb gehen die Mitarbeitenden alle Arbeitsschritte einmal gemeinsam durch.

Das Wetter in Zürich bietet mehrere Herausforderungen. Eine davon sind die unterschiedlichen "Klimazonen" im Stadtgebiet. Der höchste Punkt der Stadt liegt 670 m über dem Meeresspiegel am Hang, der tiefste Punkt 397 m über Meer und in der Ebene. Darüber hinaus laufen zwei Flüsse in der Stadt zusammen – die Limmat und die Sihl – und die Stadt liegt am Zürichsee. Diese drei Gebiete mit ihren Charakteristika in der Topografie haben als Klimazone beinahe eigenes Wetter. „Wenn Schnee über den Hügelkamm in die Stadt hereinzieht, kann es sein, dass oben in den städtischen Quartieren 20 cm Schnee liegen und unten am See Temperaturen über dem Gefrierpunkt herrschen. Das sind extreme Situationen“, beschreibt Michael Ultsch, Leiter des Geschäftsbereichs Stadtreinigung von ERZ Entsorgung und Recycling der Stadt Zürich, eine mögliche Wetterlage. Eisbildung ist in der Stadt häufig, denn vom späten November an bis in den Februar hinein wechselt die Temperatur mindestens einmal pro Tag von Minus-Temperaturen zu Plus-Temperaturen und umgekehrt. Mit dem häufigen Nebel von den Gewässern führt diese Kombination zum klassischen Taupunktproblem, bei dem das Wasser aus dem Nebel in überfrierende Glätte übergeht.

Wenn das der Fall ist, beginnt für die Mitarbeitenden der Stadtreinigung ein Pikett-Einsatz: „Wir wissen, dass der Verkehr in der Stadt zwischen 6:00 Uhr und 6:30 Uhr beginnt, dann sollten wir mit unserem Einsatz fertig sein. Die Straßenzüge der höchsten Priorität – wie Hauptverkehrsachsen und Hauptgehwege – müssen innerhalb von zwei Stunden sicher befahrbar sein. Zurückgerechnet heißt das, dass wir spätestens um 3:00 Uhr die Mitarbeitenden alarmieren müssen. Diese müssen innert 60 Minuten nach dem Aufgebot mit ihrer Arbeit beginnen.“, erklärt Michael Ultsch.

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Mit Streuer und Schneeschild ausgestattet, ist der Hako Citymaster 600 fertig für den Winterdiensteinsatz.

Risikofaktor Nebel

Der Stadteinsatzleiter hat den Überblick über Temperaturmessungen und steht mit Polizei und Meteorologen in Kontakt. Bei Bedarf fährt er kritische Stellen an und prüft persönlich die Lage vor Ort. Die Stadteinsatzleiter wechseln sich während der Bereitschaftswoche alle zwölf Stunden ab, sodass rund um die Uhr jemand verfügbar ist. Er kann bei Schnee und Eis entweder die kompletten Einsatzkräfte alarmieren oder den jeweiligen Regionen-Einsatzleiter alarmieren. Dann entscheidet dieser selbst, welche Fahrzeuge und Mitarbeitenden er für seine Stadtregion benötigt. Betrachtet der Einsatzleiter nachts die Wetterdaten und besteht keine Gefahr von Schnee oder Eis, kann er sich weiter ausruhen. „Die Ruhe ist trügerisch, denn das Klima verändert sich und wird unberechenbarer. Zieht schlagartig Nebel auf oder erhalten wir Niederschläge, die nicht auf dem Wetterradar vorhersehbar waren, sind wir zu spät für einen Einsatz.“ Spontane Wetter- und Temperaturwechsel kämen häufiger vor als früher, aber es geht auch umgekehrt: „Dieses Jahr im März versicherten an einem Tag alle Meteorologen, dass keine Kaltfront kommt – am nächsten Tag hatten wir fast 25 cm Schnee“, erzählt Michael Ultsch. Von einem Großeinsatz spricht das ERZ, wenn mehr als 50 Fahrzeuge rausfahren.

Die überfrierende Nässe tritt ein, wenn es abends wieder kälter wird. Ab 17:00 Uhr halten sich die Mitarbeitenden bereit, um eventuell noch einmal an kritischen Stellen Salz auszubringen und für Sicherheit zu sorgen. Gestreut wird mit Feuchtsalz FS30. In den vergangenen zehn Jahren wurden im Schnitt 2.900 t pro Jahr ausgebracht, in der Saison 2017/18 waren es 2.800 t. Pro Quadratmeter und Durchgang werden 10 g Feuchtsalz ausgebracht. Zürich hat eine Fläche von rund 87 km², wovon etwa 10 % auf den öffentlichen Raum entfallen. „Wenn alle Teams im Einsatz sind, bringen wir pro Umgang etwa 80 t Salz aus. Wenn wir morgens und nachmittags stadtweit streuen müssen, kommen wir auf mehr als 160 t am Tag. Das klingt erst einmal nach viel, aber wenn man sich einen Meter Fläche absteckt und versucht, darauf 10 g Salz gleichmäßig von Hand zu verteilen, muss man ziemlich gut sein“, schmunzelt Michael Ultsch.

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Gemeinsam fahren die Mitarbeitenden die Routen ab und steigen aus, um sich schwieriges Gelände anzuschauen.

Feinschliff der Routen

Im Herbst, Ende Oktober, montieren alle Mitarbeitenden Schneeschilde und Streuer auf ihren Einsatzfahrzeugen und gehen gemeinsam die zugeteilten Routen auf dem Plan durch. Die Mitarbeitenden setzen sich in Gruppen mit den Regionalleitern zusammen und prüfen Pläne, sprechen über Veränderungen auf den Strecken wie hinzugekommene Hindernisse und machen sich dann in Gruppen vor Ort ein Bild von der Lage. Problemstellen sind häufig Hügel und Straßen mit hoher Steigung. Anschließend werden die Routen 1:1 persönlich abgefahren. Das Ziel ist, dass jeder weiß, wo er fahren muss, und dass auch alle Straßen betreut sind.

Beinahe alle der 209 Mitarbeitenden der Stadtreinigung machen Winterdienst. Zusätzlich dazu unterstützen private Unternehmen mit rund 160 Mitarbeitenden und Einsatzfahrzeugen die Stadtreinigung. Die Straßen und Gehwege der Stadt sind in drei Prioritäten eingeteilt, die nacheinander bedient werden. So entspricht es der Schweizerischen Norm und gewährleistet, dass die Straßen über die Gemeindegrenzen hinaus sicher und befahrbar bleiben. Bei der Besichtigung einer solchen speziellen Strecke wird klar, warum der Winterdienst in Zürich so eine Herausforderung ist; vom hoch gelegenen Stadtteil Höngg aus hat man einen wunderbaren Blick über die Innenstadt und den See.

Die Stadtreinigung Zürich reinigt im öffentlichen Raum von Wand zu Wand. Grau und grün gehören zum Einsatzbereich – zwischen Stadtreinigung und Grün Stadt Zürich wird bei der Reinigung nicht getrennt. Die Mitarbeitenden sind einer der drei Regionen zugeteilt: „So ist gewährleistet, dass sie schnell ihr Equipment holen können und die Anfahrt zum Einsatzort nicht unnötig Zeit braucht“, erklärt Michael Ultsch. Die Anwohnenden sind nicht für den Winterdienst im öffentlichen Raum zuständig, wie es in Deutschland meist der Fall ist. Ebenfalls anders als in Deutschland sind die Einsatzkräfte nicht in Kolonnen organisiert. Die einzelnen Fahrzeuge – Kleintraktoren oder die Kehrmaschinen Hako Citymaster 600 und 1600 – haben eine vorgegebene Route, die abgefahren wird. Davon losgelöst sind die Handschaufelgruppen in Zweierteams unterwegs, situativ mit einem kleinen 1-Achser-Fahrzeug.

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Die Mitarbeitenden montieren auf allen Fahrzeuge einmal die zugehörigen Aufbauten für den Winterdienst und testen sie auf Funktionstüchtigkeit.

Volumen statt Gewicht

Die Kommunalgeräteträger und Fahrzeuge der Stadtreinigung werden im Winter und Sommer genutzt. „Es gibt bei uns keine Fahrzeuge, die nur im Winter zum Einsatz kommen. Wir haben in diesem Jahr zwölf Fahrzeuge beschafft, die effektiv und schnell umgebaut werden können. Die statten wir mit Streuer und Schild aus und die Hälfte davon kann auch mit einem Solesprüher bestückt werden.“ Mit den Kommunalgeräteträgern Hako Citymaster 600 und Hako 1600 baut die Stadtreinigung momentan eine Flotte mit kleineren Fahrzeugen auf, die die teils engen Straßen von Zürich befahren kann. „Ansonsten setzen wir Bucher CC5000 und CC2020 ein. Da wir den betrieblichen Unterhalt aber keine Bauarbeiten ausführen, spielt bei uns das Ladegewicht weniger eine Rolle als Volumen“, erklärt Michael Ultsch.

Knifflig wird es in Zürich, wenn Schnee oder Glätte während des Berufsverkehrs zwischen 7:00 und 9:00 Uhr oder zwischen 16:00 und 18:00 Uhr einsetzen. „Dann müssen wir überlegen, ob und welchen Einsatz wir auslösen, denn die Fahrzeuge stecken sonst im Berufsverkehr fest. In der Schweiz sind fast alle Fahrzeuge mit Winterreifen ausgestattet, sodass wir manchmal den Berufsverkehr abwarten und anschließend mit dem Winterdienst beginnen, ohne dass es Probleme gibt.“ An fünf bis fünfzehn Wochentagen im Winter herrscht in Zürich eine Extremsituation: Wenn hohe Luftfeuchtigkeit und schnelle Abkühlung zusammenkommen, liegt schnell viel Schnee. „Dann herrscht für etwa 12 bis 18 Stunden eine Ausnahmesituation. Es müssen Buslinien eingestellt werden, die Fußgänger sind stark eingeschränkt und der Berufsverkehr wird zur Geduldsprobe“, fasst Michael Ultsch zusammen.

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Michael Ultsch, Leiter des Geschäftsbereichs Stadtreinigung in Zürich.

Monopol auf Salz

Das Salz wird dezentral in der Stadt gelagert; insgesamt etwa 2.900 t, also ziemlich genau die Menge, die im Durchschnitt in einem Winter benötigt wird. „Das Salz unterliegt in der Schweiz einem Monopol: Alles Streusalz wird von der Schweizer Salinen AG bezogen, die garantieren muss, dass sie die Schweiz mit dem notwendigen Streusalz beliefern kann. Den entsprechenden Vorrat müssen sie vorhalten“, erklärt Michael Ultsch. Auf einigen wenigen Flächen wird in Zürich Split ausgebracht, vorrangig an unbefestigten Flächen und Wegen. In der Schweiz darf nicht großflächig präventiv gestreut werden. Dies ist nur unter sehr speziellen Bedingungen und ausgewählten Orten möglich. Welches Taumittel genutzt werden darf, ist über die Chemikalienreduktionsverordnung geregelt. Kalzium- und Magnesiumchlorid dürfen z.B. eingesetzt werden, die Stadt Zürich verwendet vorrangig Natriumchlorid.

Bei Glatteis herrscht erhöhte Unfallgefahr; entsprechend ist das Beschwerdemanagement ein Thema, wenn man über Winterdienst spricht. Zürich hat ein Kunden-Service-Center, das täglich 24 Stunden ansprechbar ist und nachts als Notfallorganisation fungiert. Der Kundenservice kann per Telefon, Mail, Facebook und auch per App („Züri wie neu“) kontaktiert werden. Jede Meldung in der App wird registriert und muss innerhalb von drei Tagen erledigt werden. Der Bürger bekommt eine Antwort auf dem Kanal, den er für sein Anliegen genutzt hat. Pro Tag kommen etwa 15 Anliegen beim Kundenservice an, darunter auch Lob. Die meisten Beschwerden handeln von Straßenschäden – schlecht gestreute Straßen sind selten ein Thema. „Ich glaube, wir haben den Winterdienst ziemlich gut im Griff“, resümiert Michael Ultsch.

Pia-Kim Schaper, Redaktion KommunalTechnik

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