Public Private Partnership - begriffliche Strukturierung
Public Private Partnership (PPP): Was ist das eigentlich? Welche Möglichkeiten bietet PPP, und wie lässt es sich praktisch umsetzen? Antworten auf diese und weitere Fragen finden Sie in unserer neuen KT-Serie PPP, die in der KommunalTechnik-Ausgabe Nov./Dez. mit diesem Beitrag startete. Zwei weitere Beiträge werden folgen.
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In Zeiten stagnierender oder sinkender öffentlicher Einnahmen sehen sich Städte, Gemeinden und der Bund einem zunehmendem Effizienzdruck ausgesetzt. Gleichzeitig muss zur Sicherung der nationalen Standortvorteile im globalisierten Wettbewerb eine hohe Qualität der Infrastrukturen gewährleistet werden. Die politisch interessierte Öffentlichkeit fordert daher verstärkt eine Effizienzsteigerung bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Einen möglichen Ansatz zur Effizienzsteigerung stellen die derzeit viel diskutierten Kooperationen zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft dar, die so genannten Public Private Partnerships (PPP).
In Großbritannien werden im Rahmen der Private Finance Initiative (PFI) seit den 1990er Jahren bereits erhebliche Kosteneinsparungen für die Infrastrukturbereitstellung von bis zu 17 % erzielt [1], indem die Erfolgspotenziale der öffentlichen Träger von Infrastrukturen hinsichtlich gemeinwohlorientierter Ziele und der Privatwirtschaft hinsichtlich marktwirtschaftlicher Leistungserstellung vereint werden. In ersten deutschen PPP-Projekten wurden sogar Einsparungen von bis zu 25 % erzielt [2].An der ETH Zürich wird am Institut für Bauplanung und Baubetrieb das Forschungsprojekt „Kommunale Strassennetze in der Schweiz: Formen neuer Public Private Partnership Kooperationen für den Unterhalt“ durchgeführt. Im Rahmen des Forschungsprojekts soll geprüft werden, ob in der Schweiz ähnlich hohe Effizienzsteigerungen wie in anderen europäischen Ländern zu realisieren sind [3]. Als Grundlage jeglicher Diskussion zum Thema PPP sind die Begriffsklärung sowie die Darlegung der Anwendungskonzepte und -gebiete notwendig. Dies erfordert eine begriffliche Definition und die praxisnahe Systematisierung möglicher Vertrags- und Kooperationsformen.
Definition PPP Zu diesem Zweck wurde am Institut für Bauplanung und Baubetrieb ein umfassender Vergleich von über zwanzig massgebenden internationalen PPP-Definitionen der öffentlichen Hand, der Wissenschaft und der Wirtschaft durchgeführt (u. a. [1], [4] bis [21]). Hierbei konnten Kernaussagen qualifiziert werden, die den Begriff PPP in der Summe deutlich umschreiben. Auf der Auswertung der Kernaussagen basierend und in Anlehnung an die umfassenden und präzisen Definitionen des HM Treasury [1] und des Canadian Council [13] wird für die Einführung der Thematik PPP in der Schweiz der Begriff der „Public Private Partnership“ wie folgt definiert:
Public Private Partnership bezeichnet eine vertraglich formalisierte, langfristige, partnerschaftliche Kooperation zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft, deren partnerschaftlicher Aspekt dadurch konstituiert ist, dass die komplementären, operationalen Ziele beider Partner nur durch einen Zusammenschluss erreicht werden können. Das PPP-Oberziel der Effizienzsteigerung wird durch die Allokation der Ressourcen der Partner, das Teilen von Risiken zwischen den Partnern sowie die Lebenszyklus- und Prozessorientierung bei der Leistungserstellung erreicht. Die öffentliche Hand hat innerhalb der Partnerschaft die Hoheitsfunktion inne. Leistungs- und Finanzierungsfunktion werden je nach Aufgabenstellung individuell zwischen den Partnern geteilt. Der Gegenstand einer PPP ist die Erfüllung bislang öffentlicher Aufgaben, die sowohl Projekte mit investivem Charakter als auch (Dienst-) Leistungen ohne investiven Charakter umfassen kann.
Ziele des Zusammenschlusses sind zum einen auf Seiten der öffentlichen Hand die Aktivierung des Know-hows und/oder Kapitals der Privatwirtschaft und somit die Entlastung der öffentlichen Haushalte, und zum anderen seitens der Privatwirtschaft die Generierung von Aufträgen und somit Gewinnen durch die Implementierung neuer Geschäftsfelder zur Sicherung des langfristigen Unternehmenserfolgs. Die Potenziale für neue PPP-Geschäftsfelder für Bauunternehmen wurden bereits in verschiedenen Veröffentlichungen aufgezeigt [22], [23], [24].Zur Verdeutlichung der Verantwortungs- und Aufgabenteilung zwischen den Partnern einer PPP können bei öffentlichen Aufgaben in Anlehnung an Hintze [25] Hoheits-, Steuerungs-, Leistungs- und Finanzierungsfunktionen unterschieden werden (Bild 1).
Die Hoheitsfunktion stellt den nicht delegierbaren Teil der Verantwortung der öffentlichen Hand dar, der von staatlichen Stellen autonom zu erfüllen ist. Dagegen bieten sich bei der Steuerungs-, Leistungs- und Finanzierungsfunktion vielfältige Möglichkeiten der Verantwortungs- und Aufgabenteilung an (Bild 5).
Bild 1: Funktionen der öffentlichen Hand und Funktionen potenzieller privater Beteiligung
Bild 2: Kooperationsgrad der Vertrags- und Organisationsformen einer Public Private Partnership
Systematisierung der Vertrags- und OrganisationsformenBezüglich des Spektrums möglicher Vertrags- und Organisationsformen einer Public Private Partnership bestehen in Literatur und Praxis keine einheitlichen Ansichten. Das Spektrum einer PPP reicht demnach von sehr weit gefassten Ansätzen, die alle Vertrags- und Organisationsformen zwischen der öffentlichen Eigenerstellung und der Privatisierung als PPP ansehen (u. a. [5], [13], [20]) bzw. sogar die Privatisierung einschliessen [1], [19]. Andere Ansätze schliessen bisherige Kooperationsformen zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft wie Betreibermodelle oder Outsourcing (Contracting Out) aus [15], [18]. Gemäss Merna und Owen [26] können die Kategorien einer PPP beispielsweise in „financially free standing projects", „joint ventures" und „services sold“ eingeteilt werden. Für eine sinnvolle Systematisierung der Vertrags- und Organisationsformen sollte das Ziel sein, nicht rein begriffliche Abgrenzungen vorzunehmen, sondern die Vielseitigkeit und Flexibilität von PPP darzustellen.Das Spektrum von Public Private Partnership in der Auffassung der Forschungsarbeit umfasst daher in Anlehnung an HM Treasury [1] und die Systematisierung der Betreibermodelle von Hintze [25] Vertrags- und Organisationsformen zwischen der öffentlichen Eigenerstellung und der Privatisierung. Die Vertrags- und Organisationsformen unterscheiden sich in erster Linie hinsichtlich des Grads der Kooperation, als obersten Aspekt zur Beurteilung einer Partnerschaft. In Bild 2 ist in Anlehnung an Sydow [27] die Bandbreite möglicher Kooperationsgrade aufgezeigt. Den niedrigsten Kooperationsgrad gemäss des in Bild 2 dargestellten Spektrums weisen die auf Verträgen basierenden Outsourcingmodelle auf, da Outsourcingmodelle zwar den Informations-, Technologie-, Personal- und/oder Leistungsaustausch auf eine vertragliche Grundlage stellen [27], jedoch nur einzelne (Teil-) Bereiche einer öffentlichen Aufgabe umfassen (Bild 3).
Bild 3: PPP-Modelle – Aufgaben-Kooperations-Portfolio (AKP)
Beispiele hierfür sind der Betrieb von EDV-Anlagen in öffentlichen Verwaltungen oder der Betrieb von öffentlichen Einrichtungen (Schule, Schwimmbad) durch einen Privaten.Kontraktmodelle basieren auf langfristigen Verträgen mit erhöhten Kooperationsaspekten, weil sie als austauschvertragliche Kooperation [27] öffentliche Aufgaben in Form von Gesamtprojekten bzw. Bereichsaufgaben nahezu vollumfänglich umfassen (Bild 3). Sie weisen einen mittleren Kooperationsgrad auf. Als Beispiele können die Planung, der Bau, der Betrieb und ggf. die Finanzierung öffentlicher Infrastruktureinrichtungen wie Schulen, Tunnel oder Strassen durch einen Privaten genannt werden. Den höchsten Kooperationsgrad weisen die Strategischen Kooperationsmodelle als gesellschaftsvertragliche Kooperationen [27] auf, bei denen öffentlich-private Gesellschaften gegründet werden. Beispiele sind Joint Ventures, bestehend aus öffentlicher Hand und Privatwirtschaft, die zum Zweck der Planung, des Baus und des Betriebs öffentlicher Infrastrukturen wie Schulen, Tunnel oder Strassen oder zum Zweck der Erfüllung von nur Teilaufgaben, wie dem Unterhalt von Strassennetzen, gegründet werden.Bei der Differenzierung der Vertrags- und Organisationsmodelle spielt folglich neben dem Grad der formalen Institutionalisierung der Umfang der Aufgaben, die an private Partner vergeben werden, eine bedingende Rolle. Zur Verdeutlichung erfolgt die Einordnung der Vertrags- und Organisationsformen in ein Aufgaben-Kooperations-Portfolio AKP (Bild 3).
Neben dem „Grad der formalen Institutionalisierung“ und dem „Kooperationsgrad“ als konstituierende Merkmale unterscheiden sich die Vertrags- und Organisationsformen einer PPP hinsichtlich der weiteren konstituierenden Merkmale „Eigentumsverhältnisse“, „Wahrnehmen der Leistungsfunktion“ sowie „Wahrnehmen der Finanzierungsfunktion“ innerhalb der Partnerschaft, deren Ausprägungen in Bild 4 dargestellt sind.Während das Eigentum der Infrastruktureinrichtungen bei den Outsourcingmodellen komplett bei der öffentlichen Hand liegt, ist die Infrastruktureinrichtung bei den Strategischen Kooperationsmodellen im Eigentum der gemischtwirtschaftlichen Gesellschaft. Bei den Kontraktmodellen ist der private Partner zumindest vorübergehend Eigentümer.Im Gleichklang mit den Eigentumsverhältnissen ist die finanzielle Beteiligung der Privatwirtschaft zu sehen, die bei den Outsourcingmodellen lediglich Auftragnehmer ist, bei den Strategischen Kooperationsmodellen Anteilseigner der gemischtwirtschaftlichen Gesellschaft und bei den Kontraktmodellen in der Regel die Finanzierung stellt. Auch das Wahrnehmen der Leistungsfunktion der Privatwirtschaft wächst im Zuge ihrer finanziellen Beteiligung, wobei der wesentliche Einfluss der öffentlichen Hand, die Hoheitsfunktion, im Rahmen der PPP zu gewährleisten ist.
Bild 4: Vertrags- und Organisationsformen einer Public Private Partnership
Ausblick
Wie dargestellt, bietet Public Private Partnership eine Vielzahl an Möglichkeiten, die Privatwirtschaft effizienzsteigernd in die öffentliche Aufgabenerfüllung einzubinden. Unter Berücksichtigung eines Wirtschaftlichkeitsvergleichs kann die öffentliche Hand je nach Umfang der zu vergebenden, öffentlichen Aufgabe entscheiden, auf welche vertragliche Art und in welchem Umfang der Leistungs- und Finanzierungsfunktion sie den privaten Partner einbinden will.
Autoren:Prof. Dr.-Ing. Gerhard Girmscheid, InstitutsvorsteherDipl.-Ing. Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Jennifer Dreyer, DoktorandinInstitut für Bauplanung und Baubetrieb, ETH Zürich
Zur weiteren systematischen Strukturierung der PPP-Modelle werden die Charakteristika der verschiedenen Realisierungskonzepte, deren Vertrags- und Interorganisationsstrukturen sowie die Aufgaben und Rollen der Akteure im Fortsetzungsartikel „Public Private Partnership – Arten von PPP-Modellen“ in der folgenden Ausgabe von „KommunalTechnik“ dargestellt, um die Einsatzmöglichkeiten sowie die Vor- und Nachteile der Vertrags- und Organisationsformen vorzustellen.
Das Literaturverzeichnis zu diesem Beitrag und den Folgeartikel aus unserer Serie „Public Private Partnership“ finden Sie hier.