Interview mit StreetScooter

StreetScooter sorgt im Nutzfahrzeugsektor für Aufsehen. Das Unternehmen hat es geschafft, innerhalb von vier Jahren ein praxistaugliches elektrisches Fahrzeug für den Einsatz bei der Post zu entwickeln. KommunalTechnik hat mit dem Hersteller gesprochen.
Marcus Arens ist Director Marketing & Sales bei StreetScooter

Bremse treten, Schlüssel umdrehen – und nichts passiert. Die Anzeigen sagen mir aber, dass der StreetScooter zur Abfahrt bereit ist. Ich bin zusammen mit Marcus Arens, Director Marketing & Sales, auf dem Testgelände von StreetScooter in der Nähe von Aachen unterwegs. Es ist meine zweite Fahrt in einem Elektroauto. Immer wieder faszinierend ist die gleichförmige Beschleunigung aus dem Stand heraus bis zur gewünschten Geschwindigkeit. Wieder und wieder halte ich an, um im nächsten Moment das Fahrpedal voll durchzutreten und die Beschleunigung zu genießen. Wenn das die Zukunft ist, kann sie aus meiner Sicht gerne kommen.

KT: Wann und wie ist die Idee entstanden, ein elektrisches Nutzfahrzeug zu entwickeln?

Marcus Arens: 2010 haben die beiden Professoren der RWTH Aachen Kampker und Schuh die Entscheidung getroffen, einen elektrisch angetrieben Prototypen eines Kleinwagens zu entwickeln. Die Idee war, zu zeigen, dass es durchaus möglich ist, mit den bis dato vorhandenen Werkzeugen und Komponenten sowie optimierten Produktions- und Entwicklungsprozessen ein alltagstaugliches und bezahlbares Elektroauto zu bauen. Ziel war es, in der Hälfte der Zeit und zu 10 % der Kosten eines normalen Entwicklungszyklus ein Pkw zu entwickeln, zu bauen und auf die Straße zu bringen. Gelungen ist dies unter anderem in dem viele Zulieferfirmen in die Entwicklung eingebunden wurden. Das Fahrzeug war erstmals 2011 auf der IAA in Frankfurt zu sehen.

KT: Wann kam die Deutsche Post ins Spiel?

Arens: Die Deutsche Post hat sich zur gleichen Zeit das konzerninterne Ziel gesetzt, den CO2 Ausstoß zum Referenzjahr 2007 um 30 % bis zum Jahr 2020 zu reduzieren. Schnell wurde festgestellt, dass dieses mit der bisherigen Fahrzeugflotte trotz immer weiterer Optimierungsmaßnahmen nicht zu erreichen ist. Die Post befürchtete schon damals, dass es Einfahrverbote in die Innenstädte für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren geben wird, um die Luftverschmutzung zu reduzieren. Für die Post mit ihrer herkömmlichen Fahrzeugflotte hätte dies verheerende Folgen. Heute sehen wir uns in dieser Frage bestätigt. Die Akzeptanz zumindest ältere Dieselfahrzeuge in der Stadt nimmt derzeit stark ab. Machen wir uns nichts vor: In Zukunft werden die Beschränkungen zunehmen.

KT: Was hat zur Annährung der Post an StreetScooter geführt?

Arens: Die Post war der Meinung, dass der elektrobatteriebetriebene Transporter die richtige Antwort auf die zukünftigen Anforderungen ist. Zum einen wird kein Feinstaub in den Städten produziert, zum anderen sind die Elektrofahrzeuge sehr leise. Dazu kommt, dass sich der Elektroantrieb hervorragend für eine Start/Stopp-Anwendung eignet. Die Deutsche Post ist bei den etablierten Automobilherstellern auf taube Ohren gestoßen, als sie den Wunsch nach einem solchen Elektrofahrzeug geäußert hat. Also ist sie auf StreetScooter zugegangen. Nachdem die Post gesehen hat, dass wir das können, wurde StreetScooter im Jahr 2014 übernommen und ist nun 100 %ige Tochter der DPDHL Group.

KT: Was waren die Wünsche der Zusteller?

Arens: Neben der Aufbauhöhe waren der Komfort und die Sicht zwei der ganz wichtigen Punkte. Mit einer besseren Sicht bspw. werden Unfälle vermieden und somit Gefahren sowie Kosten gesenkt. Weitere Forderungen waren eine hohe Wendigkeit sowie eine ausreichende Geländefähigkeit und Bodenfreiheit. Auch dies trägt maßgeblich zur Sicherheit der Fahrer bei. Die Zusteller müssen 300-mal pro Tag aus dem Fahrzeug ein- und aussteigen. Deshalb haben wir bspw. beim Fahrersitz die linke Sitzwange abgeflacht, damit der Fahrer bequem Ein- und Aussteigen kann. Der Griff für die Schiebetür der Aufbaubox ist bei uns vertikal montiert. Somit lässt sich die Schiebetür auch ohne Unterstützung eines Elektromotors einfach öffnen und schießen. Wir verstehen unsere Entwicklung als reines Arbeitsgerät. Es kommt nicht auf das Design an, sondern auf die Optimierung der Funktionen für den Fahrer. Schließlich musste unsere Neuentwicklung extrem robust sein, denn der Alltag für Postfahrzeuge ist hart.

KT: Was zeichnet denn die Robustheit eines StreetScooters aus?

Arens: Die Radaufhängungen und Achsen wurden an die extremen Belastungen des Zustelldienstes angepasst. Die Zustellfahrzeuge müssen auch seitliche Belastungen durch Bordsteinberührungen ohne Schaden wegstecken können. Die Karosserie-Teile des StreetScooters bestehen aus durchgefärbtem Kunststoff. Das heißt, selbst, wenn ein Kratzer in das Fahrzeug hineingefahren wird, so fällt dieser weiter nicht auf.

KT: Kälte ist für Akkufahrzeuge ein Problem. Wenn die Heizung läuft, sinkt die Reichweite schneller.

Arens: Wir haben uns darauf festgelegt, nur die praxisgerechte Reichweite unserer Fahrzeuge anzugeben. Unsere Fahrzeuge erreichen mit einem vollen Akku mindestens 80 km, egal ob es 30°C oder -5°C minus sind.

KT: Es kann in manchen Regionen Deutschlands aber durchaus kälter als -5°C werden.

Arens: Na klar. Unser Konzept hat aber den Vorteil, dass wir die Fahrzeuge vorkonditionieren können. Es wird in der Nacht aufgeladen und bei Bedarf entsprechend beheizt. Somit wird es nie komplett auskühlen. Wir liefern den StreetScooter übrigens zusätzlich zur normalen Kabinenheizung mit einer Sitzheizung und einer beheizbaren Frontscheibe aus.
Eine der wichtigsten Anforderungen, die wir bei der Entwicklung hatten, war allerdings das Volumen. Unser kleines Fahrzeug WORK mit der Grundfläche eines Caddys hat zum Beispiel knapp das Ladevolumen eines T5. Unser Vorteil ist, dass die Fahrzeuge nicht schön aussehen müssen, sondern dass sie möglichst funktionell sind. Der Laderaum des StreetScooters hat keine Radläufe. Nach oben verjüngt sich der Aufbau nicht. Somit haben wir die optimale Raumausnutzung.

KT: Nun setzt die Post ja schon einige Ihrer Fahrzeuge im regulären Zustelldienst ein. Wie schlagen sie sich dort?

Arens: Insgesamt laufen heute 3.500 StreetScooter bei der Post. Es zeigt sich, dass unsere Gedanken stimmig waren. Wir können nämlich die Kosten über die gesamte Flotte bei der Post genau belegen, analysieren und vergleichen. Die Reparaturkosten ohne Reifen konnten wir bspw. im Vergleich zur gleichen Fahrzeugklasse mit Dieselmotor um mehr als die Hälfte senken, ebenso wie die Kosten für Unfallschäden und Reifen. Die Anzahl der Werkstattbesuche geht zurück. Wir hatten gedacht, dass wir am Anfang in dieser Hinsicht sicherlich nicht mit den etablierten Fahrzeugherstellern mithalten können. Das konnten wir aber durchaus.

KT: Das hört sich alles positiv an. Vergessen dürfen wir aber nicht den höheren Einkaufspreis des Elektronfahrzeuges im Vergleich zum Diesel.

Arens: Das ist richtig. In der Anschaffung liegen wir über einem vergleichbaren Verbrenner. Als Hersteller genauso wie der Bund fangen wir die Mehrkosten über die Förderprämie in Höhe von 4.000 € ab. In den Gesamtkosten über die komplette Nutzungsdauer hingegen können wir schon mit dem technischen Stand von heute mit Dieselfahrzeugen gleich ziehen. In Zukunft werden wir die Effizienz weiter steigern können. Die Akkutechnik wird leistungsfähiger, Elektromotoren effizienter. Entsprechend werden wir den Dieselmotor kostenmäßig hinter uns lassen.

KT: Die Batterien werden im Laufe der Zeit an Leistung verlieren.

Arens: Unser StreetScooter in der kleinen Variante mit dem Standardakku wird mit einer Reichweite von 80 km verkauft. Selbst wenn die Kapazität des Akkus nach fünf Jahren nur noch 80 % betragen würde, so reicht diese immer noch für die meisten Anforderungen, die an ein Zustellfahrzeug gestellt wird aus. Deutlich Mehr als 40 km pro Tag fahren die wenigsten Zusteller. Auch könnten die Akkus nach einer Zeit X ausgetauscht werden. Das Fahrzeug kann danach aber immer noch ohne Einschränkung über ein zweites Batterieleben genutzt werden.

KT: Wenn Sie nun ihre Fahrzeuge an Kommunen anbieten wollen, welche Aufbauen wird es geben?

Arens: Wir werden StreetScooter solo als Triebkopf anbieten. Der nennt sich WORK Pure und kostet 31.950 Euro. Die Kunden können sich dann von den Aufbauherstellern die gewünschten Aufbauten zuliefern lassen. Der WORK Pick-Up mit fester Pritsche wird für 33.950 Euro und der WORK Box mit dem Kofferaufbau für 35.950 Euro angeboten. Von allen genannten Preisen muss noch die Förderprämie von 4.000 Euro abgezogen werden. Alle drei Fahrzeugtypen werden zusätzlich als Langversion erhältlich sein. Der WORK L wiegt ca. 1,7 t und verfügt über ein zulässiges Gesamtgewicht von 2,7 t.

KT: Wird es Nebenantriebe geben bzw. Anschlüsse um elektrisch betriebene Geräte, wie z.B. Winterdienststreuer damit zu betreiben?

Arens: Wir als Fahrzeughersteller möchten dies nicht fördern, sondern entkoppeln. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wenn wir den Kipper über die Fahrzeugbatterie betätigen würden, könnten wir keine Reichweite mehr garantieren. Deshalb muss der Kipper über eine eigene Stromversorgung verfügen.

KT: Viele Baubetriebshöfe verfügen über eigene Werkstätten und geschultes Personal. Können diese auch selbst Hand am StreetScooter anlegen?

Arens: Voraussetzung dafür ist eine spezielle Zusatz- Hoch-Volt Ausbildung. Wer diese hat, kann theoretisch auch unseren StreetScooter reparieren. Wir empfehlen allerdings die Wartung über unser Service-Netzwerk.

Das Interview führte Björn Anders Lützen,
Redaktion KommunalTechnik

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